Abriss & Aufbruch: Tagung „Palastkulturen“ sucht nach Perspektiven für ehemalige DDR-Kulturhäuser
An zwei Tagen fand die Tagung „Palastkulturen. Geschichte und Gegenwart der DDR-Kulturhäuser“ im Kultur- und Kongresszentrum (KuK) statt. Es ging um Chancen, Zukunft, Wert und Ästhetik dieser Häuser.
Am 18.11.2024 und 19.11.2024 wurde das KuK, das Kultur- und Kongresszentrum in Gera, von seiner eigenen Geschichte eingeholt. Über zwei Tage wurde das ehemalige „Haus der Kultur“, welches von 1977 bis 1990 Dreh- und Angelpunkt sozialistischer Kultur in Gera war, Tagungsort für „Palastkulturen“, Geschichte und Gegenwart der DDR-Kulturhäuser.

Den Initiatoren, ein Zusammenschluss von vier Institutionen aus drei Bundesländern, dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, dem Kulturamt der Stadt Gera, der Bundeszentrale für politische Bildung in Gera und der Stiftung Humboldt Forum Berlin ging es um den ästhetischen Wert der Architektur, aber auch um die sozialräumliche Dimension mit all ihren Chancen und Problemen.
Akteurinnen und Akteure aus der Geschichtsforschung und Aufarbeitung sowie verschiedene Interessierte aus Architektur-, Kunst- und Kulturszene kamen mit städtischen Verantwortlichen zusammen, um über die Zukunft des Ortes zu sprechen.
Eingebettet war diese Diskussion in ein weiteres Blickfeld. Das Schicksal ehemaliger DDR-Kulturhäuser weist in den neuen Bundesländern und auch in gesamt Ost- und Mitteleuropa Parallelen auf: eine alte Gebäudesubstanz, die der Witterung ausgesetzt ist und wenige finanzielle Mittel, um diese zu erhalten und neu zu bespielen.
Oft wurde in den letzten drei Jahrzehnten konservatorisch von außen „etwas Schminke aufgetragen“ (Martin Naundorf, InfraLeuna GmbH), eine nachhaltige Instandsetzung wurde selten realisiert. Gleichzeitig umweht die Gebäude eine voraussetzungsvolle Aura: Viele Bewohner*innen der Kommunen erinnern die DDR-Kulturhäuser als erweiterte Wohnzimmer. Die Sensibilität für die Ambivalenz, dass dort zwischen staatstragender Ideologie eines autoritären Systems und Raum für laienkünstlerische Verwirklichung ästhetische und gemeinschaftliche Erfahrungen gemacht werden konnten, ist unterschiedlich stark ausgeprägt.
Vieles hat sich verändert: Neben vielen Anwohner*innen, die die Kulturhäuser noch aus dem eigenen Erleben kennen, gibt es viele junge Leute – Einheimische oder aus nah und fern Zugezogene – die die Funktion der Kulturhäuser zu DDR-Zeiten nicht am eigenen Leib oder der eigenen Seele erfahren haben und dennoch einen Ort suchen, der ihnen nahe Ihres Wohnorts eine Möglichkeit bietet, sich zu amüsieren, sich Kunst- und Kulturveranstaltungen anzuschauen oder sich selbst einzubringen.
Als reine Kulturstätten sind die alten, oft repräsentativen Bauwerke oft zu sanierungs- und betriebskostenintensiv. Und vor allem überdimensioniert.






In 6 Panels sprachen unterschiedlich zusammengesetzte Podien über Beispiele, wie ehemaligen Kulturhäusern neues Leben eingehaucht werden konnte. Privatwirtschaftlich übernommen und integriert, wie in Leuna oder in Bälde, in Zinnowitz an der Ostsee, oder auch in einem DIY-Spirit mit viel Aktionismus wiederbelebt, wie in Grünhainichen ist der Zustand in den neuen Bundesländern manchmal eine Erfolgsgeschichte. „Die Bürgerinnen und Bürger kommen kein zweites Mal, wenn sie Ihre Energie anbieten, und sie abgewimmelt werden“, berichtet Robert Arnold aus seinem Alltag als Bürgermeister von Grünhainichen, heute eine Gemeinde mit 3.500 Einwohner*innen.
Die Probleme von „Vergenossenschaftlichung“ in Mecklenburg-Vorpommern beschrieb Peter Enterlein aus dem Denkmal Kultur e. V. in Mestlin in Bezug auf die Zeit bereits vor der DDR.
„In Bitterfeld-Wolfen – der Wiege des ‚Bitterfelder Wegs‘, welcher ab 1959 die Auflösung zwischen geistiger, ästhetischer und industrieller Betätigung beschloss und als Kulturprogrammatik der DDR gescheitert ist, haben sich 4 von 13 ‚volkskunstschaffenden‘ Zeichenzirkeln auch nach der Wende erhalten und laden regelmäßig Künstler*innen aus den Akademien in Leipzig, Halle oder Berlin ein, um sich auszutauschen und voneinander zu lernen.“ ergänzt Ludwig Haugk, Kurator des OSTEN Festivals 2022. Die Praxisbeispiele zeigen, wie sehr diese Transformation und der Strukturwandel sowohl wirtschaftlich, demografisch als auch kulturell mit viel Expertise betrachtet und diskutiert werden muss.
Was bleibt, ist trotz aller gesellschaftlicher Veränderung, das Bedürfnis nach einem „Dritten Raum“, ein Raum der nicht unbedingt Lohnarbeit ist, ein Raum, der nicht das Private ist, ein Raum wo eine Öffentlichkeit herrscht, um Gemeinschaft auszuhandeln und zu erfahren, sich einzubringen, aber sich auch mal entspannt zurücklehnen zu können.


Schlussendlich wurde auch die kritische Perspektive auf das KuK in Gera gewagt. Ein Henne-Ei-Problem umkreist das Sanierungsvorhaben, welches ein einstimmiger Stadtratsbeschluss vorsieht: Neue Kulturformate bräuchten einen Rahmen, in dem Auflagen von Brand- und Denkmalschutz erfüllt sind. Dies bedeutete eine zeitnahe, zwangsläufige Komplettsanierung, so Felix Eckerle, Leiter des Kulturamts der Stadt Gera. Eine Sanierung könne jedoch erst stattfinden, wenn tragfähige Konzepte durch eine Erprobungsphase bereits angedeutet sind, entgegnete Holger Reinhardt, Vizepräsident und Landeskonservator beim Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie.
Den krönenden Abschluss bildete eine riesige KuK-Torte. Ganz leiblich und bildlich sollte sich von allen Gästen das ehemalige „Haus der Kultur“ einverleibt werden. Ob die Tagung ein weiterer Schritt in eine zukunftstragende Vernetzung über die Länder- und Staatsgrenzen hinweg sein kann, oder ob letzten Endes das Kulturhaus-Vorhaben in seiner schieren Größe seine Kinder frisst, bleibt derzeit offen.
Text: Rike Schreiber, Kulturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der Gedenkstätte Amthordurchgang Gera e. V.