Bezahlkarte für Geflüchtete in Gera eingeführt
Die Stadt Gera hat zum 1. Oktober die Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt. Wen betrifft die Bezahlkarte, wie funktioniert sie und welche Kritik gibt es?
Die Kernpunkte:
Betrifft alle volljährigen Leistungsberechtigte, die noch nicht arbeiten
Die Karte ist eine Prepaid-Mastercard
Nutzung ist regional auf Gera, sowie die Landkreise Greiz, Saale-Holzland-Kreis und Burgenlandkreis begrenzt (Ausnahmen mit Erlaubnis möglich)
Karten sind über ID-Nummer den Personen zugeordnet
Barauszahlung nur einmal im Monat möglich
Anbieter ist BaFin zugelassen
Jede Person hat eigenes Konto, Geld der Kinder liegt bei Frauen
Konto mit Smartphone online einsehbar
Kritiker*innen sehen Bezahlkarte als Einschränkung
Informationen zur Bezahlkarte auf verschiedenen Sprachen gibt es unter bezahlkarte.eu.
Wen betrifft es und wie funktioniert sie?
Die Bezahlkarte betrifft alle volljährigen Leistungsberechtigten, die noch nicht arbeiten. Das sind Asylbewerber*innen, die neu nach Deutschland gekommen sind und sogenannte Geduldete (eigentlich Abgelehnte, die sich aber noch mit einer Duldung in Deutschland aufhalten). Außerdem gilt die Bezahlkarte auch für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, die internationalen Schutz genießen, jedoch keinen vollumfänglichen Flüchtlingsstatus erhalten haben. Die Bezahlkarte nutzen sie so lange, bis sie einen Aufenthaltsstatus erhalten haben und damit auch ein eigenes Konto. Dann wird die staatliche Unterstützung auf dieses Konto überwiesen.
In Gera waren zum Stand der Bekanntgabe am 26. September insgesamt 937 Personen davon betroffen. Davon sind 583 erwachsen und erhalten dadurch eine Karte. Ab dem 1. Oktober werden 34 Karten ausgeteilt, 50 folgen im November. Bis Ende des Jahres sollen rund 300 Karten ausgegeben werden. 116 Personen sollen schon arbeiten. Und bei Ukrainer*innen ist es anders geregelt, die bekommen weiterhin Bargeld.
Die Karte ist eine Prepaid-Mastercard und funktioniert an allen Stellen, wo auch normale Mastercards funktionieren. Jedoch ist die Funktion regional auf Gera und die umliegenden Landkreise Greiz, Saale-Holzland-Kreis und Burgenlandkreis begrenzt. Falls die Personen Termine außerhalb der Region haben, wie zum Beispiel Besuche in Konsulaten, Ämtern oder medizinischen Einrichtungen, kann das Sozialamt (Asylbewerberleistungsbehörde) auch Ausnahmen freischalten. Einen Mehraufwand sieht man hier nicht. Zur regionalen Begrenzung erklärte Oberbürgermeister Kurt Dannenberg, dass man das Geld, was hier ausgegeben wird, auch gerne in der Region behalten möchte: „Das Geld wird hier lokal wieder ausgegeben“. Überweisungen an das Herkunftsland sind nicht möglich.
Es ist auch zu erwähnen, dass die Menschen, die die Bezahlkarte bekommen, nicht mehr als 500 € an Leistungen erhalten. Davon bleibt nicht viel Geld übrig, was man ins Ausland schicken könnte, wie es oft erzählt wird.
Jedem Erwachsenen steht dabei eine eigene Karte mit zugehörigem Konto dazu. Das Geld für Kinder wird hier in Gera bei den Frauen zugeschlagen. Im Monat kann einmalig eine Bargeldsumme von maximal 204 € (bei Kindern nach Alter gestaffelt) abgehoben werden. Das kann für die Stellen, wie z. B. auf dem Wochenmarkt, verwendet werden, wo man nicht mit Mastercard zahlen kann. Den Kontostand kann man über eine Banking-App auf dem Smartphone anschauen. An Automaten ist nur die Auszahlung möglich. Überweisungen sind auch nur mit Erlaubnis der Asylbehörde möglich.
„Ich kann jeden verstehen, der hier herkommt“, erklärte Dannenberg, der als Soldat in Afghanistan im Einsatz war. „Das Geld ist dafür gedacht, Menschen, die hier sind, zu unterstützen.“ Er möchte den Menschen eine Perspektive geben und sieht in der Maßnahme auch Identifikationsgrundlagen. Er bezeichnet die Karte als diskriminierungsfrei und erklärt das damit, dass sich die Karten äußerlich nicht von normalen Karten unterscheiden. „Diesen Aspekt empfinde ich als äußerst wichtig, denn letztlich spielt es in der Verkaufssituation auch keine Rolle, ob die Person staatliche Unterstützung erhält oder nicht“.
Anbieter ist von BaFin zugelassen
Der Stadtrat hatte die Einführung am 6. März entschieden. Am 14. Juni hat sich die Stadt Angebote eingeholt und letztendlich für den Dienstleister PayCenter entschieden. Dessen System wird unter anderem auch in Bayern sowie im Unstrut-Hainich-Kreis und Weimarer Land angewendet. Der Vertrag läuft seit dem 1. September. Für die Stadt liefen Investitionskosten von 3000 € an. Das E-Geld-Institut PayCenter erfüllte dabei alle drei Hauptkriterien, die die Stadt hatte. Unterschiede zu der Bezahlkarte in Greiz sind, dass es kein Sammelkonto gibt, sondern das Geld in Deutschland liegt und der Anbieter auch von der BAFIN zugelassen ist. Gemessen am Aufwand ist die Zahl der Empfänger*innen recht klein. „Trotzdem ist es wichtig, die Leute hier in den Arbeitsmarkt zu bekommen“, findet Dannenberg.
Die Stadt verfolgte in der Zeit auch das bundespolitische Thema und ist bereit, das Verfahren zu wechseln, wenn es auf Bundesebene eingeführt wird. Dort gibt es aber wegen Klagen noch Verzögerungen.
Welche Kritik gibt es?
Als das Thema Bezahlkarte deutschlandweit aufkam, gab es nicht nur Lob, sondern auch viel Kritik. Die NGO PRO ASYL kritisierte: „Bundesländer machen Bezahlkarten zum Diskriminierungsinstrument“. So schränkt es den Bewegungs- und Handlungsfreiraum von Asylbewerber*innen ein. Sie finden auch: „Die Kürzung von Sozialleistungen und der Umstieg auf mehr Sachleistungen halten die Menschen nicht davon ab, vor Krieg oder Vertreibung zu fliehen.“
Gerda hatte verschiedene Beratungsstellen für Geflüchtete in Gera kontaktiert und nach ihrer Meinung zur Bezahlkarte gefragt. Rückmeldungen gab es wenig. Das hängt auch mit den Trägerstrukturen zusammen, wodurch sich einzelne Mitarbeiter*innen nicht frei äußern können. Von den Sozialarbeiter*innen, die mit Gerda gesprochen haben, gab es unterschiedliche Äußerungen. Einige kritisierten die Praxis der Bezahlkarte durch die Einschränkungen als „pure Schikane“ und „Drangsalierung“, andere sehen keine Probleme bisher und fanden, dass man erstmal schauen müsse, wie sich das entwickelt.
Auf die Kritik angesprochen antwortete Dannenberg: „Zunächst mal wundert mich das, weil wir ja auch das Geld überwiesen bekommen, als Mitarbeiter, ganz normal. Und das wäre für mich eher eine Schikane, wenn man immer nur Bargeld in die Hand gedrückt kriegt und sozusagen mit Bargeld durch die Stadt rennen muss. Und zum Zweiten ist jetzt die Erfahrung, weil wir jetzt die ersten Karten ausgegeben haben, nicht so, dass es da Aufregung gab, sondern eher, ich würde fast sagen, das als selbstverständlich hingenommen wurde.“
In einigen Städten wie Hamburg und München gibt es Widerstand und Aktionen gegen die Bezahlkarte. Auch in Jena können Menschen mit Bezahlkarte jetzt Bargeld gegen Gutscheine von Supermärkten eintauschen. Zu ähnlichen Aktionen in Gera ist der Redaktion nichts bekannt. Allerdings ist hier die Barauszahlung auch höher als andernorts. Die Stadt Gera erklärte auch, dass Warentausch (etwas mit der Karte kaufen, am nächsten Tag zurückbringen und Bargeld dafür bekommen) mit dieser Karte ausgeschlossen ist. Wir gehen es erstmal an und schauen, wo man justieren muss“, erklärte Dannenberg, der sich dazu eine neue Fehlerkultur in der Stadt wünscht. Die Stadt Gera hat zur Bezahlkarte außerdem eine FAQ veröffentlicht.
Was wären weitere Schritte?
Die Migrationsberatung Diako Thüringen antwortete auf unsere Anfrage, dass Erleichterungen und Verkürzungen in der Verwaltung keine Nachteile für die geflüchteten Menschen haben sollten. Sie sind mit den Mitarbeitenden des Fachdienstes Asyl im Sozialamt im Austausch, „Bei Problemen werden wir diese besprechen.“ Sie würden sich noch mehr Unterstützung beim Spracherwerb in Form des Ausbaus von Sprachkursen sowie die Verbesserung der schulischen Situation in Ostthüringen wünschen. „Der Großteil der geflüchteten Menschen wünscht sich eine Arbeitsaufnahme und möchte für seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Angehörigen selber aufkommen und beitragen“, heißt es weiter, „Leider fehlt oftmals das Sprachpersonal“.