“Wir wollen, dass Gera keine braune Stadt mit schlechtem Image ist”
Unter dem Motto „Miteinander stark – Für eine offene Gesellschaft!“ haben das Aktionsbündnis Gera gegen Rechts & „Weltoffenes Thüringen“ am Samstag vor der Wahl für Demokratie demonstriert.
Insgesamt 17 Vereine waren mit 15 Ständen auf der Kundgebung „Miteinander stark – Für eine offene Gesellschaft!“ auf dem Geraer Markt vertreten. Die Parteien SPD, Grüne und Linke präsentierten sich, die Stadtratsfraktion Bündnis Gera mit ex-OB und Thüringer Finanzstaatssekretär Julian Vonarb grillten Roster und auch die neue Ortsgruppe der Omas gegen Rechts waren da. Die Kirche präsentierte Kreuze ohne Haken und auch andere Stände machten sich für Demokratie stark. „Wir tragen auch die Werte, die hier transportiert werden“, erzählte uns eine Person an einem der Stände. Der 39-Jährige setzt sich privat und beruflich für politische Bildung ein. „In erster Linie bringe ich die Werte und das Verständnis für Demokratie in die Bevölkerung.“ Auf die Wahl blickt er mit sehr gemischten Gefühlen.







DJ Juliane Wolf aus Greiz, die auf der Landesliste von Volt für den Bundestag kandidiert, eröffnete mit Techno und House-Musik. Als Bühne diente ein Traktor mit Anhänger, geschmückt von bunten Fahnen. Verschiedene Personen aus der Zivilgesellschaft hielten Redebeiträge.



Eddie aus Zeitz bot Poetry-Slam, Elke Lier vom Freundeskreis für Flüchtlinge und den Omas gegen Rechts sprach über Willkommenskultur und verurteilte die kürzlichen Anschläge sowie die Migrationsdebatte. „Wir wollen, dass Gera keine braune Stadt mit schlechtem Image ist“, appellierte sie. Bernd Kemter vom Friedensbündnis Gera plädierte für Frieden, die Antifaschistische Aktion Gera informierte über rechte Umtriebe, Nils und Johannes sprachen über Vielfalt und Pfarrerin Barbara Lötzsch verlas den offenen Brief, den sie und Pfarrer Stefan Körner verfasst hatten. Mit diesem wollten sie den Menschen Respekt zollen, die „sich Montag für Montag vor dem Theater den A… abgefroren haben“.






Auch Mo Asumang, ihres Zeichens Moderatorin, Produzentin, Regisseurin, Schauspielerin, Gastprofessorin und Autorin, hielt eine kleine Rede auf der Bühne. Sie thematisierte darin Rassismuserfahrungen und plädierte aber dennoch für Dialog. Asumang gastierte mit ihrer Aktion MOTZBUDE in Gera. Am Freitag hatten sie und ihre MoLab DialogbotschafterInnen ein Zelt vor dem KuK aufgebaut und die Menschen in Gera zum Motzen eingeladen. Die Aktion kam sehr gut an, erzählte Asumang uns. „Das Gemotze und Gemecker waren toll“, freut sie sich. Wir haben gekonnt zugehört. Es wurde nach Hilfe im Umgang mit Rechtsextremismus gefragt, Angst vor den Wahlen geäußert und Ratlosigkeit gezeigt. Auf Gera sind sie und ihr Team gekommen, weil sie einen Ort gesucht haben, wo Rechte eine große Kraft haben und „wo Leute uns brauchen, wo die Fronten gehärtet sind“.



Auf der Kundgebung auf dem Markt sind auch einige junge Rechte aufgetaucht, darunter einer der Anführer der selbst ernannten „Gerschen Jugend“. Auch mit ihnen hat Asumang den Dialog gesucht. „Ich habe erstmal ihre Sorgen ernst genommen". Es sei wichtig erstmal zuzuhören, um dann gemeinsam zu reflektieren. Die Jungs erzählten von migrantischen Gruppen, die pöbeln. Asumang überlegte mit ihnen, was die dazu bringen könnte, ob sie vielleicht auch Probleme und Sorgen haben. Ihr Wunsch wäre, wenn die noch rechten Jungs nach ihrem Vorbild auch mit „den Anderen“ in den Dialog gehen würden, in dem Fall mit den Migranten. Sie würde ihnen dabei sogar helfen. „Ich habe das Gefühl, dass die auch noch mal in eine andere Richtung gehen können, wenn sie von der Gesellschaft nicht andauernd als Nazis thematisiert werden.“ Sie findet, dass man Menschen die Chance auf Änderung geben sollte.



Einige der Direktkandidaten für den Wahlkreis 193 Gera – Greiz – Altenburger Land durften auch sprechen. Auf der Bühne standen Bernhard Stengele, Elisabeth Kaiser und Cornelius Golembiewski sowie Daniel Reinhardt in Vertretung von Frank Tempel. Zusammen mit dem Publikum gab es ein Foto für die Aktion Rote Hand, die sich gegen den Einsatz von Kindersoldaten richtet.






Der zweite Musikact, Sarah & Cedeño, sorgte mit Hip-Hop auf Deutsch und Spanisch für gute Stimmung. Nach dem Hinterhofjam des Jugendrats war das ihr zweiter Auftritt in Gera. Während ihres Auftritts hatte die Veranstaltung ungefähr den Höhepunkt erreicht, den das Publikum anging. Die Polizei schätzte die Menschenmenge auf 350 Personen. Die Veranstalter gehen von 450 bis 500 Personen aus, jedoch gab es eine hohe Fluktuation an dem Nachmittag, weshalb eine genaue Zahl schwer zu nennen ist.








Unter den Menschen ist auch Ben. „Weil es wichtig ist und wir hier heute nochmal Lärm machen können“. Ehrenamtlich engagiert er sich für Demokratiebildung, ist im Jugendrat. Er ist 15 und darf noch nicht wählen. Dennoch ist er dabei: „Ist natürlich Mist und man kann zu Hause meckern oder halt hier herkommen“. Laut kam die Veranstaltung zum Abschluss. Es gab „rotzigen“ Punk von Poll3 sowie Punkrock von Petrol Leaf.





Die Veranstalter sind zufrieden mit der Kundgebung. „Es sind Menschen gekommen, die ich noch nicht so wahrgenommen habe“, resümierte eine der Sprecherinnen des Aktionsbündnisses. Die Idee dahinter war, dass laut Studien größere Events vor Wahlen Punkte bringen. Einen spürbaren Effekt auf das Wahlergebnis in Gera gab es jedoch nicht. Für den demokratischen Zusammenhalt war die Veranstaltung dennoch wichtig.
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