Herzlich Willkommen zur dritten Ausgabe des Gerda grüßt!-Newsletters. Dieser wird euch jeden zweiten Donnerstag erreichen und über Gera informieren.
1. Das große Thema, welches noch kein Thema ist
Gera Geschehen
Stadtgeschichtliches
Das steht an
Schon gesehen?
In dieser kleinen Rubrik könnt ihr schauen, wie gut ihr Gera kennt. Jedes Mal gibt's ein Bilderrätsel mit einer Fassade, einer interessanten Ecke oder einem alten Graffito irgendwo in Gera, bei dem ihr rätseln könnt, wo das Bild aufgenommen wurde. Diese Rubrik soll euch motivieren, Gera noch besser wahrzunehmen. Offene Augen sehen mehr von der Welt und in Gera gibt's einiges zu entdecken.
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Unter Journalistinnen und Redakteuren werden viele interessante oder unterhaltsame Webseiten & Tools geteilt. Dazu stößt man bei Recherchen auf so manchen spannenden Ort im Internet. Für ein bisschen Ablenkung für den Arbeitsalltag.
In eigener Sache
1. Das große Thema, welches noch kein Thema ist
Armut - ganze zweimal taucht der Begriff in den Wahlprogrammen der Parteien und Fraktionen auf, die 2024 für Sitze im Geraer Stadtrat kandidieren. Die Linke will Armutsrisiken aktiv durch gute Bildungsangebote bekämpfen und die CDU möchte Altersarmut so weit wie möglich vermindern. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Thematik in anderen Programmen auch angesprochen wird, ohne den Begriff Armut zu verwenden.
Aber trotzdem kommt das Thema viel zu kurz. Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2022 gut ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands (17,3 Millionen Menschen) von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. In Ostthüringen liegt die Armutsquote bei 18,7 % (Stand März ‘24).
Es gibt in Gera verschiedene soziale Projekte und den Integrierten Kommunalen Sozialplan 2024-2028, mit dem man die soziale Situation verbessern will. Aber es reicht noch nicht. Die Corona-Pandemie sorgte für einen Rückschlag bei der Armutsbekämpfung. Steigende Preise und Mieten sorgen für eine Verschärfung. Das hat Auswirkung auf das soziale Klima der Stadt. Armut fördert soziale Konflikte, Gesundheitsgefährdung, Kriminalität und treibt Menschen in die Hände von Populisten & Extremisten.
Ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik, die Anfang April veröffentlicht wurde, zeigt: Im Deliktfeld Diebstahl gab es 2023 einen Anstieg von 19,4 %. Wer kein Geld hat, besorgt sich die lebensnotwendigen Sachen auf anderen Wegen. In der Stadt wird das Thema Sicherheit viel diskutiert. Man will die Überwachung ausbauen und mehr Polizei einsetzen. Armut wird aber nicht bekämpft, wenn man die Leute mit Geld- oder Gefängnisstrafen belegt. Sinnvoller wäre es, jene Ursachen von Armut zu bekämpfen, die dazu führen, dass Menschen Kriminalität als Mittel zum Überleben nehmen. Aber das bringt die unangenehme Frage auf: Ist Armut ein Fehler im System oder gehört Armut vielleicht sogar zum System?
Armutsbetroffenen fällt es schwer, darüber zu reden. Zu groß ist die Scham. Dabei ist es bei den wenigsten selbstverschuldet. Es trifft nicht nur Arbeitslose. “In der Regel sind es einschneidende familiäre Ereignisse (zum Beispiel Krankheitsfälle, Todesfälle, das Aufbringen einer Mitgift für eine Hochzeit) oder größere Krisen (wie bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen, Wirtschaftsflauten), die Menschen in Armut stürzen“, erklärt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Besonders Alleinerziehende, sowie Rentner*innen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben oder Migrant*innen, die nicht so recht Fuß fassen konnten, sind ebenso gefährdet. Übrigens: über die Hälfte der Arbeitslosen in Gera hat eine betriebliche, schulische oder sogar akademische Ausbildung. Die Arbeitslosenquote in Gera lag im März 2024 bei 10,2 %.
Einige Armutsschicksale gibt es hier zu hören. Gerda hat ein offenes Ohr für ihre Geschichten. Wir wollen den Ungehörten Gehör verschaffen.
Gerda ist kostenlos und wird kostenlos bleiben, damit auch wirklich Alle einen Zugang zu Journalismus und potentiell wichtigen Informationen haben, unabhängig von der finanziellen Situation. Wir glauben an gemeinnützigen Journalismus.
2. Gera Geschehen
Neuer Fördermittelbescheid für Bildungscampus Lusan // Gera 19.04.2024
Für den künftigen Bildungscampus Lusan wurde ein Fördermittelbescheid über 6 Millionen Euro für den Ersatzneubau der Zweifeldsporthalle überreicht. Oberbürgermeister Julian Vonarb nahm den Bescheid von Elisabeth Kaiser, parlamentarischer Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in Berlin, entgegen. Das Geld aus Bundesmitteln deckte die Kosten zur Hälfte. Die alte Sporthalle stammt aus dem Jahr 1976. "Mit dem Bildungscampus soll in den nächsten Jahren ein soziales Zentrum für alle Generationen entstehen", erklärt die Stadt Gera, "bei dem die Regelschule ‘Die Vierte’ gemeinsam mit der Grundschule „Wilhelm Busch“, den zugehörigen Sporthallen, den weitläufigen Außenanlagen und dem leer stehenden Gebäude Elsterberger Straße 6 zu einem Gesamtareal zusammengeführt werden." Bis zu 850 Schüler*innen sollen dort Platz finden. Auch die Europäische Union und der Freistaat Thüringen sind an der Gesamtfinanzierung des 35-Millionen-Projekts beteiligt. Es ist Geras bisher größtes Schulbauvorhaben.
Wahlausschuss zu OB-Kandidaten // Gera 23.04.2024
Nachdem sich insgesamt sieben Männer für das Oberbürgermeisteramt in Gera beworben hatten, hat der Wahlausschuss der Stadt Gera vier davon zugelassen:
Amtsinhaber Julian Vonarb (parteilos/Bündnis Gera)
Bürgermeister Kurt Dannenberg (CDU)
David Kaschta (Die Partei)
Wieland Altenkirch (AfD)
Nicht zugelassen wurden Andreas Kreißig (Bürgerschaft für Gera), der sich aus Versehen aufgestellt hat und eigentlich nur Ortsteilbürgermeister werden will, sowie Alexander Tenneberg (Einzelbewerber), der Hausverbot im Rathaus hat. Beide hatten laut Wahlleiter keinerlei Unterstützerunterschriften. Abgelehnt wurde Yves Berlinghoff, der zwar mehr als die geforderten 210 Unterschriften hatte, aber einstimmig abgelehnt wurde. Bei ihm bestehen Zweifel, dass er für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt. Er sei nicht für die Berufung in ein Beamtenverhältnis geeignet. Unter anderem lag ein Bericht vom Verfassungsschutz vor. Berlinghoff nimmt regelmäßig an den Montagsdemos teil, hält dort Redebeiträge und hat auch ein Videoformat mit dem Rechtsextremisten Christian K., der die Demos organisiert.
Die Entscheidungen sind noch nicht endgültig. Bis zum 29. April kann Einspruch eingelegt werden. Mehr dazu beim MDR
Über 100 Wahlplakate gestohlen oder beschädigt // Gera April 2024
Kaum hat der Wahlkampf auch im öffentlichen Raum begonnen, gibt es die ersten Straftaten. In Debschwitz wurden entlang der Wiesestraße 21 Plakate von der Partei Bündnis90/ Die Grünen entfernt. Ebenso wurden im Stadtgebiet mehrere beschädigte grüne Wahlplakate entdeckt, zuletzt einige, die durch Feuer beschädigt wurden.
In Bieblach-Ost riss ein betrunkener Mann Plakate ab, die gerade erst aufgehängt wurden. Die Polizei leitete gegen den Mann ein Ermittlungsverfahren ein. Im Laufe der Woche meldete die Polizei dann das Verschwinden von 100 Plakaten einer weiteren Partei. Diese Plakate gehörten der vom Thüringer Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestuften AfD.
Da es sich hierbei um politische Straftaten handelt, ermittelt der Staatsschutz. Hinweise zu weiteren beschädigten/gestohlenen Plakaten oder Beobachtungen werden unter der Tel. 0365 / 829 - 0 entgegengenommen.
Rechtsprechung und Rechtssprechung // Gera
Nachdem der MDR das Thema im November aufgegriffen hatte, berichtete jetzt auch die Tageszeitung taz über Richter des Verwaltungsgerichts aus Gera, denen eine Nähe zur rechtsextremen AfD nachgesagt und eine rechtslastige Spruchpraxis vorgeworfen wird. Außerdem kritisieren Vereine aus der Flüchtlingshilfe ihre Entscheidungen bei afrikanischen Asylbewerber*innen. Ihre Positivquoten von Asylbescheiden liegen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Auch haben sie in der Vergangenheit rechtsextremen Versammlungen viel Raum gegeben.
Radverkehrskonzept beschlossen // Gera 17.04.2024
In der Stadtratssitzung vom April, die sich über zwei Tage zog, wurde das integrierte Radverkehrskonzept der Stadt Gera beschlossen. Das Konzept kann hier eingesehen werden. Mehr dazu in Kürze.
Bücherschrank steht wieder // Gera 23.04.2024
Passend zum Welttag des Buches steht der Bücherschrank der Bibliothek Gera wieder an seiner bekannten Stelle auf der Leseinsel vor der Stadtbibliothek. Der frei zugängliche Bücherschrank wurde Ende Oktober Opfer von Vandalismus und wurde mit Spendenmitteln neu aufgebaut. Der Name des neuen Schranks ist "Lesehügel", davor gab es den "Buchtresor" und die "Coole Bücherbox". "Interessierte dürfen sich sowohl Bücher aus dem Schrank mit nach Hause nehmen, als auch nicht mehr genutzte Bücher von Zuhause da lassen", erklärt die Bibliothek das Konzept. Eine weitere Tauschstelle ist in der Amthor-Passage zu finden.
3. Stadtgeschichtliches
Diese Jahrestage stehen an:
26.04.
999: Vor 975 schenkte Kaiser Otto III. das Land Gera mit allem Zubehör zur freien Verfügung seiner Schwester, der Äbtissin Adelheid des Stifts Quedlinburg.
1869: Die Geraer Zeitung berichtete vor 155 Jahren über das erstes "Velociped" in Gera. "Velociped" war eine frühe Form des Fahrrads.
28.04.
1934: Vor 90 Jahren starb die Antifaschistin Meta Böhnert an den Folgen ihrer Haft. Die Textilarbeiterin war Mitbegründerin der KPD in Gera-Zwötzen & saß von 1932 bis zu ihrer Verhaftung 1933 im Stadtrat. Böhnert war bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches 1920 dabei & im antifaschistischen Widerstand aktiv. Im Stadtteil Zwötzen gibt es einen Meta-Böhnert-Platz.
01.05.
1854: Die "Höhere Handelsschule & Handelsakademie" des Dr. Eduard Amthor wurde vor 170 Jahren nach Gera umgesiedelt. Sie wurde fünf Jahre vorher in Hildburghausen gegründet.
02.05.
1944: Vor 80 Jahren wurde Erich Knauf hingerichtet. Knauf wuchs in Gera auf und war Schriftsteller, Journalist, Schriftsetzer und Kunstkritiker. Er war Stoßtrupp-Führer bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches 1920 und war auch bei anderen anarchistischen/antifaschistischen Aktionen dabei. Später schrieb er Liedtexte für NS-Filme wie "Die Feuerzangenbowle". Sein Todesurteil bekam er „wegen defätistischer Äußerungen im Luftschutzkeller“. Der Mitangeklagte Erich Ohser (e. o. plauen) nahm sich vor dem Prozess das Leben.
03.05.
1539: Anna von Beichlingen bekommt die Herrschaft Gera mit Langenberg als Leibgedinge (Absicherung bis zum Lebensende). Sie war die Witwe von Heinrich XIV. Reuß dem Älteren.
1869: Die Eröffnung der Spaethepassage fand vor 155 Jahren statt. Gebaut wurde sie im Auftrag des Kaufmanns Friedrich Wilhelm Spaethe, der dort Gemälde und Plastiken von seinen Italienreisen ausstellte.
06.05.
1929: Horst Salomon wurde vor 95 Jahren geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam er nach Gera, wo er als Schriftsteller und freier Journalist tätig war. Unter anderem schrieb er für das Theater Gera. Salomon war auf Parteilinie, arbeitete als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi (IM) und verteidigte die Niederschlagung des Aufstandes des 17. Juni 1953. Er war außerdem Bergmann und Teil der Rettungsmannschaft beim Grubenunglück von Niederschlema 1955.
4. Das steht an
Thüringer Europafest 2024 in Gera
Zeit- und ortsgleich findet mit dem Hofwiesenparkfest am 27. April und 28. April das Thüringer Europafest statt. Die Thüringer Staatskanzlei kündigt dafür “zahlreiche Informations- und Aktionsstände und viele Geraer und Thüringer Europa-Akteure sowie internationale Musik und Tänze mit Künstlerinnen und Künstlern aus Gera und darüber hinaus” an. Ziel soll sein, zu zeigen, dass Europa nicht fern ist, sondern “in Gera und Umgebung jeden Tag gelebt wird”.
Eröffnet wird es Samstag um 14.15 Uhr durch Bernhard Stengele, dem Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz. Am Sonntag wird es außerdem eine Diskussionsrunde über die Bedeutung von Regional- und Städtepartnerschaften mit OB Julian Vonarb, dem Staatssekretär für Medien und Europa und Bevollmächtigter des Freistaats Thüringen beim Bund, Malte Krückels, und Rabia Berrai, Bürgermeister für Internationale Angelegenheiten der Geraer Partnerstadt Saint-Denis, geben.
5. Schon gesehen?
Wer weiß, wo in Gera dieses Bild aufgenommen wurde? Auflösung & Info gibt’s in der nächsten Ausgabe von Gerda Grüßt! Ihr könnt euch bis dahin auf den Weg machen und mit offenen Augen durch die Stadt laufen.
Auflösung Bild KW15: Dieses Foto wurde im Herbst 2022 im Skatepark von Bieblach-Ost aufgenommen. Damals ist eine Reportage entstanden, die Anfang 2023 bei Vice veröffentlicht wurde. Bieblach-Ost ist Geras jüngster Stadtteil, aber auch der Stadtteil, der am heruntergekommensten ist. Die Reportage gibt Einblick in die Leben der Bewohner*innen und Geschichte des Viertels.
6. Klicken gegen Langeweile
Jemand macht große Versprechungen im Wahlkampf, hetzt auf Social Media oder ändert hin und wieder seine kontroversen Standpunkte? Relevante Dinge verschwinden manchmal aus dem Netz, aber man kann sie dokumentieren. Das Internet Archive sammelt Versionen von Webseiten, die man auch noch nach Abschaltung sehen kann und mit atomshot kann man Screenshots zur Beweissicherung anfertigen. Viel Spaß beim Dokumentieren!
Gerda freut sich übrigens über Hinweise, besonders zu den OB-Kandidaten. Alle Hinweise werden vertraulich behandelt.
7. In eigener Sache
In Gera soll ein Jugendradio (Von der Jugend, für die Jugend) entstehen, welches nach Mitstreiter*innen sucht. Gerda ist redaktionell unterstützend dabei, Technik ist auch vorhanden, nur fehlt es an tatkräftigen jungen Menschen, die sich um Musikauswahl, Aufnahme und Editing kümmern. Interessierte können sich via Instagram oder Mail (jugendradio-gera@gmx.de) melden.
Welche Bedeutung Lokaljournalismus in Gera hat, zeigen die Erwähnungen von Gerda in den Newslettern von Netzwerk Recherche & CORRECTIV. Beide lobten das Entstehen des Projekts und das Engagement dahinter.
Gerda ist ein Mitmachprojekt, so wie unsere geschätzte Demokratie. Meldet euch also gerne, wenn ihr Gerda journalistisch oder hinter den Kulissen unterstützen wollt.
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