Festnahme nach versuchtem Femizid
Am Sonntag hat ein Mann versucht, eine Frau zu töten, indem er sie in der Straßenbahn anzündete. Der Tatverdächtige hat sich nun der Polizei gestellt. Einzelheiten & Einordnung:

Kurz vor 9 Uhr hat sich der Tatverdächtige zur Landespolizeiinspektion Gera in die Theaterstraße begeben und sich widerstandslos festnehmen lassen. Am Morgen gab es weitere Durchsuchungsmaßnahmen seiner Wohnung, bei denen auch Spezialkräfte des TLKA (SEK) zum Einsatz kamen. Die Wohnung wurde am Vortag bereits durchsucht. Möglicherweise wurde der 46-Jährige erneut dort gesehen.
Update 18.03.25, 12:32: Die LPI Gera vermeldet, dass der Tatverdächtige in eine JVA überführt wurde. Das Amtsgericht Gera hatte Untersuchungshaft angeordnet.
Versuchter Mord in aller Öffentlichkeit
Am Sonntag kurz nach 10 Uhr versuchte der mutmaßliche Täter, seine gleichaltrige Ehefrau in der Straßenbahn zu töten. Beide fuhren mit der Linie 3 aus Bieblach-Ost Richtung Innenstadt, als er im Bereich der Haltestelle „Grüner Weg“ die Frau mit einer brennbaren Flüssigkeit übergoss und anzündete. Andere Passagiere reagierten schnell und drückten den Notknopf. Dadurch stoppte die Bahn und die Türen öffneten sich, wodurch der Täter fliehen konnte. Der Straßenbahnfahrer konnte das Feuer mit einem Feuerlöscher löschen.
Die Feuerwehr war schnell vor Ort, ihre Zentrale liegt nur rund 500 Meter vom Tatort entfernt. Mit einem Rettungshubschrauber wurde die schwerverletzte Frau in eine Spezialklinik gebracht. Ihr derzeitiger Zustand ist unbekannt. Die anderen Passagiere blieben körperlich unverletzt, einige mussten jedoch psychologisch betreut werden.
Großangelegte Fahndung
Die Polizei begann sofort mit den Ermittlungen und den Suchmaßnahmen. Laut ersten Berichten ist der mutmaßliche Täter Richtung Gera-Langenberg geflüchtet. Eine Großzahl an Polizeistreifen durchkämmte den Geraer Norden. Am Nachmittag kam auch ein Polizeihubschrauber zum Einsatz. 15 Uhr veröffentlichte die Polizei die Öffentlichkeitsfahndung, nachdem es dafür einen richterlichen Beschluss gegeben hatte. Gesucht wurde der Ehemann des Opfers, Tengizi K. Er stammt wie seine Frau aus Georgien.
Es gab wohl einen Bürgerhinweis, der auf das Areal bei der Industriestraße/ehem. Milchhof hinwies, welches unweit des Tatorts ist. Einsatzkräfte durchsuchten das Gewerbegebiet dort, fanden ihn aber nicht. Der eingesetzte Helikopter „Habicht 2“ kreiste lange über Geras Norden, flog bis Stublach und Töppeln und drehte dann ab. Die Polizei durchsuchte auch die gemeinsame Wohnung im Ostviertel. Dort besorgten sie sich Kleidung des Verdächtigen, um die Polizeispürhunde auf eine Fährte zu bekommen.




Nach der Festnahme befindet sich der Tatverdächtige in kriminalpolizeilichen Maßnahmen und wird demnächst einem Haftrichter vorgeführt. Mehr kann und möchte die Polizei nichts sagen, die Ermittlungen dauern an. Die Spurensicherung an der betreffenden Straßenbahn sowie die Untersuchung der brennbaren Flüssigkeit in einer Plastikflasche, die am Tatort gefunden wurde, sind noch nicht abgeschlossen.


Hintergrund: Es deutet auf einen Femizid hin
Kann man die Tat als versuchten Femizid einstufen, haben wir Diana Hennig vom Netzwerk gegen Feminizide Thüringen gefragt. „Ja“, sagt sie und erklärt das damit, dass der Ehemann dringend tatverdächtig ist. „Als Femizid wird die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet“, definiert die Bundeszentrale für politische Bildung den Begriff. Meist werden sie von ihrem (Ex-)Partner getötet.
Die genauen Umstände und das Motiv in diesem Fall müssen erst noch ermittelt werden. Das Boulevard-Blatt BILD berichtet unterdessen, dass laut Anwohnern des Ehepaares es vor einem Monat schon zu einem Polizeieinsatz kam und der Ehemann dabei verschwunden ist. Auf Nachfrage am Montagmorgen wollte die Polizei das uns aber nicht bestätigen. In einem weiteren Update wurde der Polizeieinsatz jedoch mittlerweile eingeräumt. „Ich hätte mir gewünscht, dass es vor vier Wochen schon eine intensive Suche gegeben hätte“, ärgert sich Hennig. Sie kritisiert den schlechten Schutz von Frauen. Die Versorgung durch Frauenhäuser sei unterirdisch. „Wir haben das Problem, dass es kaum Plätze in Frauenhäusern gibt“. Immer wieder kommt es vor, dass Frauen (manchmal samt Kindern) abgewiesen werden, weil kein Platz ist und diese in manchen Fällen zu den gewalttätigen Partnern zurückgehen. Hennig kritisiert auch, dass „so gut wie gar nicht an die Täter gegangen wird“, sondern der Fokus auf die Vermeidung von Gewalttaten bei den Frauen liegt. Die Zahlen seien steigend.
Anteilnahme und Hetze - die Reaktionen
Noch am Sonntagnachmittag meldete sich Oberbürgermeister Kurt Dannenberg über den Facebook-Kanal der Stadt zu Wort. Er zeigte sich zutiefst erschüttert: „Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter – die heutige Tat ist eine der niederträchtigsten.“ Dannenberg dankte allen Helfenden und wies auf die Beratungsplattform handle-jetzt.de hin. „In unserer Gesellschaft darf es keinen Platz für Unterdrückung und Selbstjustiz geben“, mahnte er.
Da die Tat bundesweit für Schlagzeilen sorgte, gab es in den sozialen Netzwerken viele Reaktionen. Darunter viel Häme sowie geschmacklose Witze von Accounts aus dem politisch rechten Spektrum, die besonders den Täter, seine Herkunft und die angeblich schwache Sicherheitslage in Deutschland thematisierten. Andere solidarisierten sich mit dem Opfer und benannten es direkt als einen Femizid. Darunter waren auch der Thüringer Innenminister Georg Maier und die Thüringer Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt.
Als direkte Reaktion kündigte das Aktionsbündnis Gera gegen Rechts an, die montägliche Kundgebung vor dem Theater dem Thema zu widmen. Dafür haben sie sich mit dem Netzwerk gegen Feminizide Thüringen zusammengeschlossen, das Redebeiträge beisteuern wird. Das Netzwerk hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Thema Femizide auf die Straße zu tragen, die Politik zum Handeln aufzufordern und die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren. Beginn der Kundgebung ist 18:30 Uhr.