Auf der Suche nach den Frauen der Wismut
In einem Werkstatt-Café wurde am Donnerstag nach dem weiblichen Gesicht der Wismut gesucht. Es wurden Erinnerungen von früher und Ideen für heutige Erinnerungskultur ausgetauscht.
Hat die Wismut ein weibliches Gesicht? Das ist eine der Fragen, mit der Rike Schreiber und Grit Ruhland in ihr Werkstatt-Café am vergangenen Donnerstagabend gegangen sind. Schreiber leitete das Projekt „Gesichter der Wismut“, aus dem in der Gedenkstätte Amthorduchgang eine Sonderausstellung entstanden ist. Ruhland ist Künstlerin und Kulturvermittlerin, die wieder im Ort Paitzdorf nahe der ehemaligen Halde bei Ronneburg wohnt, wo ihre Familie einst gelebt hat. „Es gibt Leute, denen ist Bergbau passiert“, erzählt sie über ihre Familie, die nicht bei der Wismut war, aber trotzdem vom Bergbau geprägt wurde.
Geladen hatten sie in die Räumlichkeiten der TheaterFabrik. Es gab Häppchen, Getränke und Snacks. Auf den Tischen lagen Bilder aus Wismut-Zeiten, und Tische sowie Wände waren mit Papier zum Ideensammeln ausgestattet. Es waren ein paar ehemalige Wismut-Frauen da. Sie hatten als Köchin, technische Zeichnerin oder Medizinerin gearbeitet. Aber auch einige jüngere Leute zeigten Interesse und nahmen teil. Das Interesse an dem Thema Wismut ist groß. „Wir hatten erstaunlich viele Besucher durch die Wismut-Ausstellung“, berichtet Rike Schreiber.
„Beim Begriff Wismut, welches Bild oder Wort assoziieren sie damit?“, wurde gefragt. „Der Dreck!“, war die schnellste Antwort. Sie kam von einer der Wismut-Frauen. „Die Schuhe waren immer anthrazitfarben“, erinnert sich eine andere. Der Dreck ging auch aus den Hosen nicht mehr heraus. „Da wusste jeder 'Aha, die kommt vom Schacht'“.
„Bei mir ist es Blaulicht der Polizei“, erinnert sich ein Herr. In seiner Nachbarschaft wohnte der Leiter der Gruppenwehr, der bei schweren Unfällen immer gleich von der Polizei zum Einsatz abgeholt wurde.
Einmal in Fahrt gekommen, da sprudelten die Ideen und Erinnerungen aus den Anwesenden nur so heraus. Schreiber kam kaum hinterher, alle Stichpunkte auf einem Whiteboard zu notieren. Eine Frau erinnerte sich an ihre Zeit in der Wismut-Berufsschule in Zwötzen. Schnell kamen sie auch auf die Ferienheime: Roter Oktober in Zinnowitz, Tabarz, Oberwiesental, Kriebsstein und Crispendorf. Es wurde sich daran erinnert, wie man mit FDGB-Ausweis 14 Tage Vollverpflegung mit Zugfahrt für nur 35 DDR-Mark bekam. „Wurde viel geboten, die Wismut hatte immer Geld“, fand eine Frau. „Konntest dich nicht beklagen“ schwelgte eine andere in ihren Erinnerungen. Zu einem Schluss kamen sie alle: „Die Arbeit dort war die schönste Zeit“. Doch sie waren sich auch einig, dass sie es vor allem wegen des Geldes gemacht haben.
Nach der aufgeregten Anfangsphase teilte man sich in Gruppen auf. An einem Tisch ging es um das Wismut-Berufsleben & werktätige Frauen, am zweiten um Familienplanung & Privatleben in der Uranbergbauregion und der dritte Tisch widmete sich den Fragen: Gibt es einen weiblichen Blick auf die Wismut und wie geht eine Geschlechter-unspezifische Erinnerungskultur. Auch in diesem Part der Veranstaltung wurde sich rege ausgetauscht. So wurde sich erinnert, dass ein Zug vom Gera-Südbahnhof bis zum Schacht gefahren ist und dass jeden Tag 100 Busse die Arbeiter*innen zur Arbeit gebracht haben. Besonders im trockenen Sommer haben die extrem viel Staub und Dreck aufgewirbelt. Außerdem wurde eine Debatte geführt, wie es mit der Wismut ohne Wende weitergegangen wäre. Auch ging es darum, dass nach der Wende im Nachhinein alles negativ betrachtet wurde.
Bei der Erinnerungskultur sieht man aber noch Luft nach oben. „Gera hat das Thema Wismut sträflich behandelt“, ärgerte sich eine ex-Wismut-Mitarbeiterin. Sie vermisst ein Museum in Gera. Eine Dauerausstellung lässt sich aber schwer umsetzen, erklärten die beiden Organisatorinnen. Doch man möchte die Erinnerungskultur aufrechterhalten und voranbringen.
Für die Organisatorinnen war dieses Werkstatt-Café ein Erfolg. Das neue Format hat sich bewährt, es kam viel bei herum und einige der Frauen haben sich für Zeitzeugengespräche in der Gedenkstätte bereiterklärt. Die Sonderausstellung geht nur noch bis zum 21. Dezember 2024, aber das Thema Gesichter der Wismut ist noch nicht abgehakt. Zum einen ist die Ausstellung als Wanderausstellung konzipiert und zum anderen wurden neue Ideen und Aspekte gesammelt. Schreiber nimmt aus der Veranstaltung mit: „Es wurde viel zu wenig gemacht und die Narrative aus dem Westen wurden übertragen“.
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