Wer sind die Gesichter der Wismut?
Eine neue Ausstellung in der Gedenkstätte Amthordurchgang arbeitet den Wismut-Bergbau in der Region auf. Erarbeitet wurde sie vor allem von Schüler*innen. Eröffnet wird sie zur Museumsnacht.
Was war die Wismut? Was sind Sprengmarken? Wie wird man Bergmann? Wie waren Wismut-Mitarbeiter*innen versorgt? Wo haben sie Urlaub gemacht? Und was hinterlässt die Wismut? Fragen wie diesen geht die neue Ausstellung „Gesichter der Wismut“ nach.
„Wismut“ – war der Tarnname für den Uranerzabbau in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), der schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg benannt. Im sächsischen Erzgebirge sowie in der Region um Gera und Ronneburg wurde Uran gefunden und abgebaut. Die Wismut war ein geheimes Staatsprojekt der DDR.
Vorangegangen war ein gemeinschaftliches Projekt in den letzten 2,5 Jahren mit einem gesamten Jahrgang des Osterlandgymnasiums und zwei Jahrgängen der Semper-Schulen im Bereich Gestaltung, zusammen mit Projektkoordinatorin Rike Schreiber.
Anfangs wollte die Gedenkstätte ein Projekt zu Alltagsgeschichte machen. So kam man auf die Idee mit der Wismut, die den Alltag in der DDR in Gera stark geprägt hat. Schreiber fing im Herbst 2021 mit der Arbeit an und stellte schnell fest, dass es zwar Bücher dazu gibt, aber keine Bildungsmaterialien. In Kooperation mit den beiden Schulen wurde sich dann auf die Suche nach den Gesichtern der Wismut gemacht. Gefördert wurde das interdisziplinäre Begegnungsprojekt von der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur mit einem Fördertopf, der unter „Jugend erinnert“ läuft, sowie von der Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung und der Staatskanzlei des Freistaates Thüringen.
Das Interdisziplinäre erklärte Rike Schreiber: „Da steckt so viel drin, Naturwissenschaften, Geschichte, Wirtschaftsgeschichte. Da steht alles Mögliche drin“. Das Projektziel, was aber eher ein Prozess ist, wurde als: ‚Austausch über Generationen hinweg‘ gerahmt. „Am Ende kommt ein bisschen mehr raus als eine Seminarfacharbeit, die in den Archiven der Schule versauert, sondern es gibt eine Ausstellung, die wandern kann“, findet Schreiber. Sie lobt auch die Arbeit der Schülerinnen: „Ich glaube, das, was die an Erhebung gemacht haben, ist an sich schon wirklich eine hochwertige Arbeit.“
Während die Bergbaugeschichte an sich kein Thema ist, was für junge Menschen sonderlich interessant ist, gab es hier viele persönliche Berührungspunkte. So hat die Recherche im privaten Umfeld, in Verwandtschaft und Bekanntschaft begonnen. Dann wurde nach anderen Leuten geschaut, wo man zum Beispiel bei der Mettenschicht1 fündig wurde. Besonders interessant waren auch Personen, die noch nicht so viel darüber erzählt haben. „Das hat auch Vorteile, wenn Leute noch nicht so ihr Narrativ über Ihren Lebenslauf haben“, erklärt Schreiber. Insgesamt entstanden 16 Zeitzeugen*innengespräche und jede Menge Material, welches systematisiert wurde.
Die Ausstellung ist in vier Abschnitte aufgeteilt:
A RUNTER IN DEN SCHACHT
B STRAHLENDER ALLTAG
C GEHEIMNISSE, KONFLIKTE UND KRITIK
D WAS BLEIBT VON DER WISMUT?
A RUNTER IN DEN SCHACHT
Im ersten Abschnitt der Ausstellung geht es um die Anfänge des Uran-Bergbaus. Während man Uran vorher für radioaktive Heilbäder oder zur Herstellung von Farben nutzte, wurde es durch die Atombombe auch militärisch wichtig. Für die junge DDR wurde sie zum Großprojekt.
Die neu gegründete SDAG Wismut bot zahllosen Arbeitssuchenden eine Anstellung: entlassenen Kriegsgefangenen, Vertriebenen, Kriegsversehrten, vom haltlosen Nazi bis zur aufbauwilligen Kommunistin.
B STRAHLENDER ALLTAG
Weiter geht es mit der Frage, wie man Bergmann wird. Dieser Bereich schaut auch darauf, was es für die Wismut-Arbeiter*innen sonst gab, Sonderwaren, Kunst und Kultur sowie Freizeitangeboten. Zur Wismut gehörten auch Sportvereine. In Gera wurde dabei besonders der Box- und Radsport gefördert. Mehrere Wismut-Olympionik*innen haben es nach Olympia geschafft.
C GEHEIMNISSE, KONFLIKTE UND KRITIK
Obwohl die Arbeit sehr hochgeschätzt war, wurde sie auch streng überwacht. Misstrauen und Stasi spielten eine große Rolle. Es gab eine hohe Dichte an IMs und eine eigene Polizei-Einheit. »Du hast dich für die Meisterschule beworben, aber deine politische Einstellung gefällt uns nicht. Die kannste ja ändern und haben einen Aufnahmeantrag von der SED rübergeschoben.« berichtet Zeitzeuge Bernd.
Dabei spielte auch das Verhältnis zum „russischen Bruder“ eine Rolle. Es gab Zusammenarbeit auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, aber im Alltag war man isoliert. Und war Uran wirklich für den Frieden und die Umwelt?
Ebenfalls in diesem Abschnitt: Der Blick auf die Gesundheit. Während typische Bergbaukrankheiten bekannt waren, wusste man lange nichts von den Krankheiten, die der Uran-Abbau verursachte.
Von der Strahlung und deren Folgeschädigungen wussten die Bergleute lange Zeit nichts.
D WAS BLEIBT VON DER WISMUT?
Zum 1. Januar 1991 hat die SDAG Wismut die Uranerzförderung in Thüringen und Sachsen eingestellt. Damit verschwand ein zentraler Wirtschaftsfaktor und über 40.000 Beschäftigte waren ohne Arbeit. Der Nachfolgebetrieb Wismut GmbH, der sich seither um die Sanierung von Landschaften und Schächten des Bergbaus kümmert, übernahm nur rund 1.700 Personen der ursprünglichen Belegschaft. Die Transformationsauswirkungen durch die hohe Arbeitslosenquote und eine Abwanderung zumeist junger Menschen aus der Region Gera sind auch noch heute zu spüren. Während Ältere oft eine Abfindung oder die Frührente bekamen, verließen vor allem junge Personen mit hohem Bildungsgrad die Stadt.
Außerdem hat der Bergbau massive und komplexe Umweltschäden hinterlassen, mit deren Beseitigung das Bundesunternehmen Wismut GmbH seit 1991 an fünf Bergbaustandorten beschäftigt ist. Die Halden, Tagebaue und Schlammteiche sind bereits gut saniert und bei Ronneburg wurde das ehemalige Abbaugebiet für Bundesgartenschau 2007 in die „Neue Landschaft“ umgewandelt. Bis 2033 soll die gesamte Sanierung abgeschlossen sein.
In dem Projekt wurde auch nach der Wismut im Stadtbild geschaut, wo eigene Krankenhäuser und Wohnviertel entstanden sind. Ebenso wurde geschaut, wie an die Wismut und alles drumherum erinnert wird?
Ein Projektteilnehmer fragte sich auch:
Wie kommt es, dass die Hooligans des heutigen Fußballvereins BSG Wismut sich so positiv auf eine Vereinsgeschichte beziehen, die ihre Wurzeln im Sozialismus hat?
Wismut erleben
Die Ausstellung ist interaktiv. Es gibt anschauliche Tafeln, zweieinhalb Installationen und originale Arbeitsgeräte. Eine Installation ist eine dunkle Ecke, die man mit einer Schwarzlichtlampe erkunden kann. Auch gibt es QR-Codes zum Scannen, die zu der neuen Webseite mit den gesamten Interviews der Zeitzeug*innen führen. Es soll wohl auch ein paar Eastereggs in der Ausstellung geben. „Es gibt noch einen Dokumentarfilm hier zu sehen, also, man kann sich gut Zeit nehmen, diese Ausstellung anzugucken“, berichtet Schreiber. Für alle Generationen wurde es spannend aufbereitet, denn die Gedenkstätte will nicht nur alte Kumpel herholen. „Vielleicht ist es möglich zu sagen: hier Opa, nimm den Enkel mit in die Ausstellung“, meint Schreiber. Sie würden sich wünschen, dass die Ausstellung die Leute dazu bringt, in den Dialog zu treten.
Das soll auch mit zwei Veranstaltungen geschehen. Am 7. November gibt es die Gesprächsrunde „Bergbau – Transformationsland Ost-West“ mit Dr. Michael Farrenkopf, dem stellvertretenden Leiter des Bergbau-Museums in Bochum, und Dr. Sabine Loewe-Hannatzsch, die schon lange zur Umweltpolitik im Uranerzbergbau der SAG/SDAG Wismut 1949–1990 forscht. Es soll unter anderem darum gehen, was den Osten und den Westen unterscheidet und was sie auch verbindet.
Am 21. November findet dann in Räumen der TheaterFABRIK eine Veranstaltung zu den Wismut-Frauen statt. Es wird eine kleine Gesprächsrunde mit Frauen für Frauen von Frauen.
Die Vernissage der Ausstellung findet im Rahmen der Museumsnacht statt. Neben der Eröffnung mit Kulturstaatssekretärin Tina Beer und Führungen gibt es ein kleines Rahmenprogramm. „Wir haben eine Schwarzlicht-Bar, wo man den ein oder anderen leuchtenden Gin Tonic und kleine Snacks genießen kann und wir haben Schwarzlichtschminken für Kinder oder auch Erwachsene und es gibt die Möglichkeit Edelstein auszugraben“ fasst Schreiber da Programm zusammen.
Wismut auf Wanderschaft
Die Ausstellung ist auch als Wanderausstellung konzipiert. Es gab schon einige Anfragen von Schulen und Museen, darunter aus Bochum und der baldigen Kulturhauptstadt Chemnitz. „Natürlich wäre es auch toll, die Ausstellung noch mal wandern zu lassen, damit auch Menschen, die jetzt nicht so mobil sind, auch noch vor Ort irgendwie erreicht werden“, findet Schreiber. Dazu bräuchte es aber eine Übernahme von Kosten für Transport und Co. „Wir freuen uns, wenn diese Ausstellung irgendwo angefragt wird“, erklärt Schreiber. „Es wäre schön, in einen Austausch darüber zu kommen.“
Transformationsgeschichte verstehen und erleben
Einen Austausch brachte das Projekt schon mit sich. Die ursprüngliche Trennung zwischen „die Osterländer machen die Befragungen der Zeitzeugen und den Inhalt der Texte“ und „die Gestalter beschäftigen sich mit den Formen, den Emotionen, der Inszenierung“ war irgendwann aufgelöst. Es bildeten sich spezifische, inhaltliche Teams. Schüler*innen, die vorhatten Medizin zu studieren, schauten auf die gesundheitliche Seite der Wismut und fanden mit Lothar Hoffmann, der Urologe am Bergarbeiter-Krankenhaus war, einen passenden Zeitzeugen. Ein Schüler, der gerne an Mopeds schraubt und technisches Geschick hat, repariert eine Grubenleuchte, die in der Ausstellung zu sehen ist. Sie konnten sich ausprobieren und anhand dieser Regionalgeschichte den Wandel in der Region erkunden. „Das führt dazu, dass diese Transformationsgeschichte auch von Personen verstanden werden kann, die bis heute mit den Auswirkungen davon zu tun haben“, erläutert Schreiber.
Auch bei den ehemaligen Kumpeln kam es gut an. „Ich glaube, das ist erstmal überraschend, dass da überhaupt junge Leute auftauchen“, erzählt Schreiber über den Besuch bei der Mettenschicht. Sie fand die Arbeit mit den Schüler*innen sehr gut: „Ich fand es cool und hätte am liebsten noch doppelt und dreifach viel Zeit mit den Schüler*innen gehabt“.
Sie waren auf Bildungsfahrt im ehemaligen „Ferienort“ Zinnowitz, haben Zeitzeug*innen und Expert*innen befragt und interviewt, Exponate gesucht und instand gesetzt sowie Design und Aufmachung von Webseite und Ausstellung entworfen. Vollständig ist das Projekt nicht, das wäre sehr schwer zu machen. Aber es ist umfangreich genug geworden für die neue Ausstellung und sechs Seminarfacharbeiten am Osterland-Gymnasium.
„Und natürlich voll wichtig: Es gibt den Instagram-Account ‚Gesichter der Wismut‘ und da habe ich jetzt auch ganz viel Nettes vorbereitet“, teasert Schreiber.