Montags in Gera: Mehr Protest auf den Straßen
Wie ist die Stimmung nach den Wahlen, was machen die demokratischen Kräfte in Gera & welche Probleme gibt es? Ein Blick auf die letzten beiden Montagabende:
Seit nunmehr fünf Wochen organisieren Personen unter der Schirmherrschaft des Aktionsbündnisses Gera gegen Rechts die Veranstaltung „Wir sind Gera“. Jeden Montagabend wird dabei der Platz vor dem alten reußischen Theater besetzt, um der rechtsextremen Montagsdemo die Fläche ihrer Abschlusskundgebung zu nehmen. Die rechten Demos starten seit Ende 2021 jeden Montagabend vom nahegelegenen Hofwiesenparkplatz aus, ziehen durch die Innenstadt und enden vor dem Theater. Anfangs waren viele Menschen dabei, die Frust, Angst und Verunsicherung während der Pandemie ausdrücken. Recht schnell setzte sich aber die Präsenz von Rechtsextremen, Reichsbürger*innen und auch einigen Kriminellen durch, die das öffentlichkeitswirksame Bild prägen. Während der abschließenden Reden vor dem Theater, die meist einen hetzerischen Charakter aufweisen, wurde einige Male auch das „Nieder ist jetzt!“-Banner über dem Theater-Eingang verdeckt. Der Slogan beruft sich auf die mahnende Forderung „Nie wieder Faschismus!“, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist und vor einem Wiedererstarken des Faschismus warnt.
„Wir haben drei Jahre zusehen müssen, wie Rechtsextremisten vor einem Ort der Kultur und Vielfalt Hass und Hetze verbreitet und teilweise strafbare Äußerungen getätigt haben“, erklärt Janusz Riese, der zum Orga-Team der demokratischen Veranstaltung gehört. „Das tat weh. Wir sind glücklich, das Theater von diesem Spuk befreit zu haben und den Platz seiner Bestimmung Woche für Woche zuzuführen: dem Austausch, der Kreativität und vor allem der Toleranz.“ Da der Platz vor dem Theater ein Platz der Kultur ist, wird die Veranstaltung kulturell gestaltet. So gab es bereits einen Sektempfang und am vergangenen Montag Poetry Slam mit den Slammern Damian aus Erfurt und Giorgio Gepardo aus Gera. Am 16. September gibt es einen Swing-Tanzabend, in der Woche darauf Mocktails/Cocktails. Auch ein Kita-Sport-Fest (30.09.) und ein Faschingsevent (11.11.) stehen im Programmplan schon fest. Der Swing wurde nicht zufällig ausgewählt: „Während der NS-Zeit wurde der Swing(-Tanz) als »Affentänze« und »N-Wort-Tänze« verunglimpft und verfolgt“, erklärt das Aktionsbündnis in ihrem Aufruf: „Die von Swings gegründeten Cliquen waren den Nazis aufgrund der amerikanischen Musik, dem Tanz, der nicht-vorhandenen Geschlechtertrennung, der lockeren Kleidung und der Lässigkeit ein Dorn im Auge.“ Viele der Jugendlichen wurden gejagt und landeten in den NS-Lagern.
Zusätzlich gab es am vergangenen Montag eine Kundgebung des antifaschistischen Vereins AufAndHalt e. V. zusammen mit der Antifaschistischen Aktion Gera (AAG). Und die MLPD war auch noch da und stand durch Flatterband getrennt neben dem Aktionsbündnis (Die Partei ist dafür bekannt, andere Versammlungen mithilfe von Flaggen und Schildern zu kapern). Vorausgegangen, für die Versammlung von AufAndHalt e. V. war eine Auseinandersetzung am Montag zuvor. Nach dem erschreckenden Wahlergebnis lagen die Nerven bei vielen blank. Andere hatten Angst vor Übergriffen, nachdem das Ergebnis den Rechtsextremen noch mehr Selbstbewusstsein gegeben hat. Eine Person aus dem antifaschistischen Gegenprotest hatte vermutlich deshalb einen spitzen Gegenstand1 und Pfefferspray dabei. Die Person hatte die Gegenstände abseits der Versammlung unter einem Auto versteckt. Zuvor wurde die Polizei schon wegen eventueller Vermummung neugierig. Ein anderer Versammlungsteilnehmer beobachtete das und übergab die Gegenstände nach Diskussion mit der Person einem Polizisten. Daraufhin ergriff die andere Person die Flucht und wurde von der Polizei nicht gefunden. Auf der Versammlung brach Unruhe aus. Viele Menschen ärgerten sich über die fehlende Solidarität und störten sich daran, dass man den Vorfall nicht erst intern geklärt hat.
Ein anderer Antifaschist wurde für den Spruch „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“ angezeigt und kam beim Verlassen der Versammlung mit einer weiteren Person in eine Maßnahme der Polizei. Insgesamt hat die Polizei an diesem Abend vier Verfahren eingeleitet. Darunter eine Beleidigung gem. § 185 StGB sowie drei Verstöße gegen das Versammlungsgesetz gem. § 27 VersammlG. Auf der rechten Demonstration wurden Journalist*innen bedroht.
„Solidarität bleibt unbrechbar“ war der Titel der Versammlung am 09.09., unter dem sich AufAndHalt e. V. Solidarität und Antifaschismus widmen wollte. „Wir Antifaschist*innen machen keine halben Sachen“, hieß in einer analytischen Rede: „Wir haben die Aufgabe, den Finger in die Wunden zu legen, sich entschieden gegen die rechtsextremen Kräfte zu stellen, aber auch innerhalb der demokratischen Gesellschaft aufzuzeigen, wenn deren politischen Kräfte die Populismen und Ideen der autoritär Rechten beginnen, zu übernehmen.“ In der Rede wurde auch die Politik, insbesondere die demokratischen Parteien im Bundestag, kritisiert für die Beteiligung am Rechtsruck durch das Übernehmen von rechter Politik.
Als die rechte Demo sich aufmachte, gab es eine Neuheit: Eine kleine Gruppe löste sich aus dem Gegenprotest und startete den couragierten, aber noch nicht recht koordinierten Versuch einer Sitzblockade vor dem Restaurant Aposto. Doch kaum saßen sie, räumte die Polizei sie wieder runter von der Straße. In anderen Städten wie Leipzig sind solche Aktionen etabliert und erfolgreich. Allerdings sitzen dort mehrere Hundert auf der Straße, sodass die rechten Demos gestoppt werden müssen. Hier hatte es keinen Effekt. Zwei Personen aus der Gruppe waren anschließend wegen Vermummung in der Maßnahme. Sie hatten ihre Schlauchschals zu hoch ins Gesicht gezogen. Vermummung ist ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (§ 27 VersammlG).
Nachdem die Rechten das erste Mal vorbeigezogen waren, blieb es recht ruhig und es war Zeit für Rede- und Poetry-Slam-Beiträge. Als die rechte Demo nach etwa einer Stunde zurückkam, reihte die Polizei mehrere ihrer Autos aneinander, um die Versammlungen besser abzugrenzen. Dennoch bewegten sich mindestens zwei Personen der rechten Demo auf der demokratischen Seite. Ansonsten blieb es bei dem üblichen Austausch an Rufen und Gebrüll sowie dem Zeigen verschiedener Gestiken wie dem White-Power-Handzeichen auf Seiten der Rechten. Bei den TN-Zahlen bewegen sich beide Seiten in der selben Höhe. Die Polizei zählte am 9. September insgesamt ca. 544 Personen (eine Woche vorher 475). Laut der Zählung des Twitteraccounts Der Aufrichtige nahmen rund 200 Menschen an der rechten Demonstration teil.
augenscheinlich handelte es sich hierbei um einen Kubotan. Das ist ein angespitzter Stab, der für Selbstverteidigung gedacht ist und am Schlüsselbund angebracht werden kann. In Deutschland ist der Kubotan legal (hat aber auf Versammlungen nichts zu suchen). In Brandenburg verteilt die AfD solche Teile aktuell als Wahlkampf-Mitgebsel.