Vorwürfe & Urteile: Ein Richter und seine Internetaktivitäten im Fokus
Nach verschiedenen Vorwürfen zu menschenverachtenden Äußerungen gegen einen Richter am Verwaltungsgericht Gera gab es Konsequenzen. Der betreffende Richter wurde in eine andere Kammer versetzt.
Einigen Richtern in Gera werden eine rechtslastige Spruchpraxis und Nähe zur rechtsextremen Partei AfD nachgesagt. Häufig wird dabei Dr. Bengt-Christian Fuchs, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera, genannt. Im November hat der MDR darüber berichtet, dass am VG Gera die Chance für eine erfolgreiche Asyl-Klage statistisch gering ist. Der Bericht sprach davon, dass Fuchs als Asylrichter deutlich öfter gegen Asylsuchende aus Afrika urteilt als der Bundesdurchschnitt. Zudem war Fuchs zu Gast auf der AfD-Party nach der Oberbürgermeisterwahl in Gera 2018. Im April hat die taz ebenfalls zum VG Gera berichtet und dabei erwähnt, dass dieses Gericht Demoverbote von fragwürdigen rechtsextremen Aufmärschen gekippt hatte. In der Folge kam es zu Hitlers Geburtstag am 20. April 2016 zu einem Fackelzug in Jena oder zu Rudolf Heß- und Reichspogromnacht-Gedenkmärschen der NPD.
Ende Juni hat die Autonome Antifa Freiburg (AAF) 30-seitiges Communiqué1 über Bengt Fuchs veröffentlicht, welches schnell von der taz, Legal Tribune Online (LTO) und anderen Medien aufgegriffen wurde. Die Recherchegruppe der AAF veröffentlicht seit Jahren immer wieder ausführliche Dossiers zu Rechtsextremen und Burschenschaften, die oft von Medien aufgegriffen werden, da die Darstellungen faktensicher und gerichtsfest sind. Bei der Auswertung des Datensatzes des Burschenschaftenforums "Tradition mit Zukunft", das von 2002 bis 2011 existierte, ist die AAF auf einen User mit dem Accountnamen „BeFuchs287“ gestoßen. Dieser User hat sich mehrfach als "Bengt-Christian Fuchs, Salia Jenensis Göttingen" vorgestellt und viele menschenverachtende Kommentare hinterlassen.
Um diese Äußerungen geht es:
Trigger Warnung: Menschenverachtende Aussagen
In dem Forum, in dem sich aktive Burschenschaftler und „Alte Herren“ austauschten, verfasste „BeFuchs287“ in rund vier Jahren 2554 Nachrichten. In dem Datensatz aus dem Forum sind rund 1,5 Millionen Beiträge von rund 15.000 Mitgliedern. User „BeFuchs287“ fiel dabei mit abfälligen Äußerungen über Frauen, Sinti und Roma, Schwule und Asylsuchende, sowie der Verbindung zur Richterperson auf. Der User nennt Asylbewerber „Asylies“ oder beschrieb sie als „Kunden“ bei ihm im Gericht.
Über gescheiterte Abschiebungen schrieb dieser User 2010: "Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern... ;-D"
Oder 2009: „Jetzt breche ich mal eine Lanze für die Mitteldeutsche Provinz: Wer den Quatsch mit den Migranten nicht haben will, zieht zu uns. Keine 2 % Ausländer“. Im selben Jahr nannte er das N-Wort, als „Schöne alte deutsche Worte / Sätze“ gesucht wurden.
Ein weiteres Beispiel zeigt die Trans- und Frauenfeindlichkeit und wie abwertend er über seine Ehefrau spricht: "entschuldigung, aber neben ner Transe am Kneiptisch zu sitzen,[Kotz-Smiley] ...neee. Ich habe mich auch nach 15 Ehejahren mit einer Tittenbuxe nicht dazu hinreißen lassen, einer Kneipe mit echten Damen oder sogar meiner Gattin beizuwohnen." Im Juni 2011 schrieb der User: "Wenn ein Lehrer sich anschicken sollte, meinen Kindern vermitteln zu wollen, dass homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen sind, hat er mich ebenso am Hals wie jene Lehrer, die meinen Kindern zu vermittel[n] versuchen, dass es in der "DDR" nicht so schlimm gewesen sei"
Im Jahr 2011 wurde das Forum geschlossen und es folgte der Wechsel zu Facebook, wo mehrere Gruppen gebildet wurden. Dort meldete sich ein User namens "Fuchs Benedikt"2, der in den Gruppen in "Tradition mit Zukunft", "TraMiZu | Das Politikforum", "TramiJUR", "TraMiPOL" und "Tradition mit Zukunft in der Berufswelt" war und auch dort fleißig kommentierte.
Im Jahr 2012 gratulierte dieser User Kaiser Wilhelm dem Zweiten zum Geburtstag. Das ist besonders interessant, da der Richter Dr. Bengt Fuchs 2017 der Hochschulgruppe Außen- und Sicherheitspolitik Jena einen Vortrag zur Reichsbürgerthematik gehalten hat und über seine Erfahrungen mit Reichsbürger*innen vor Gericht aufgeklärt hat. Reichsbürger*innen beziehen sich ideologisch auf das damalige Kaiserreich und sehen Kaiser Wilhelm II. als Vorbild.
2019 bezeichnete er Sinti und Roma als "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche".
Warum sind solche Äußerungen problematisch?
Die AAF sowie verschiedene Institutionen wie der Thüringer Flüchtlingsrat oder das Institut für Berufsbildung und Sozialmanagement kritisieren Fuchs deutlich. Im Dezember 2023 gab es eine Strafanzeige durch den Flüchtlingsrat, zu der aber nicht ermittelt wurde, da die Staatsanwaltschaft Gera keinen Anfangsverdacht sah.
Für Richter*innen gilt das Mäßigungsgebot aus dem „Deutschen Richtergesetz.
Deutsches Richtergesetz (DRiG)
§ 39 Wahrung der Unabhängigkeit
Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.
Das sehen die Kritiker*innen durch die Äußerungen in dem Forum und in den Facebook-Gruppen verletzt.
Was sagt Bengt Fuchs zu den Vorwürfen?
„BeFuchs287 bin ich definitiv nicht“, erklärte Bengt Fuchs der taz gegenüber. „ Derlei vulgäre Äußerungen habe ich nicht getan, sie sind mir wesensfremd und weder inhaltlich noch formal mein Ton“, äußert sich Fuchs gegenüber LTO. „Derlei Ansichten vertrete ich grundsätzlich nicht. Jeder, der mich kennt, wird Ihnen meine liberale und jederzeit menschliche Einstellung bestätigen können. Es muss sich aus meiner Sicht um einen - von wem auch immer - sehr üblen, 'gefakten' Angriff auf mich handeln.“ Fuchs spricht sogar von einer "Kampagne", die gegen ihn laufen soll und bestreitet die Vorwürfe. LTO gegenüber gab er an, mal im Regio mit seiner Frau eine Gruppe syrischer Frauen vor Anpöbeln durch „besoffene Glatzen“ gerettet zu haben und im Nachhinein eine Einladung zu einem Dankesessen angenommen zu haben.
Es spricht aber viel dafür, dass die Darstellungen stimmen.
So glaubhaft sind die Vorwürfe
Entkräftet wird Fuchs’ Aussage ausgerechnet von anderen Korporierten auf Facebook, als sie über die Berichterstattung zu dem Fall diskutieren. „Warum dann die Verwirrung um den Namen?“, schreibt ein User: „Auf dem alten TmZ herrschte doch Klarnamenpflicht.“ Von dieser Pflicht berichtet auch die AAF. Die Administratoren haben alle überprüft. „Eine Anmeldung ohne Verifizierung der Zugehörigkeit zu einer Verbindung war nicht möglich“, erklärt die AAF. Nach ihren Informationen war Fuchs ab dem Wintersemester 1986/87 bei der Turnerschaft Salia Jenensis Göttingen. Sie nannten in ihrem Communiqué noch weitere Richter, die in Burschenschaften/Studentenverbindungen/Korporation sind.
Da die AAF den gesamten Datensatz des Forums hat, können sie auch sehen, welcher Klarname zu welchem Account hinterlegt ist. Sie schreiben: „Als User „BeFuchs287“ schrieb das „Fördermitglied“ mit dem Namen „Bengt-Christian Fuchs“ 2554 Forennachrichten auf „Tradition mit Zukunft“. Bengt Fuchs loggte sich insgesamt 3079 Mal in das System ein. Sein erster Beitrag ist vom 15. Oktober 2007 und sein letzter Login erfolgte am 27. September 2011, dem Tag der Abschaltung.“
Außerdem decken sich viele Angaben und Kommentare mit seiner Biografie. Anfang 2009 schrieb „BeFuchs287“: „Ich bin seit zwei Jahren in das Thüringer Justizministerium abgeordnet, d. h. derzeit nicht richterlich tätig“. Das deckt sich mit den Angaben auf seinem LinkedIn-Profil. Später schrieb der User, er habe „die Ehre [...], in der Stadt zu wohnen, in der Herr Sarrazin 1945 das Licht der Welt erblickte, im ostthüringer Residenzstädtchen Gera“.
2015 kommentierte er in einer Diskussion in der militärischen Gruppe: „Dr. Bengt Fuchs OTL d.R., beordert KVK 720 (Gera), gelernter ELOKA FmKp 945 (Fremde Heere Ost), dann bei G1 13.PzgrenDiv beordert, WÜ RB FüH im BMVg…“
Bei dem Wechsel zu Facebook war es zudem üblich, dass sich alle vorstellen. Der betreffende User kommentierte da: „Dr. Bengt Fuchs, T! Salia Jenensis Göttingen, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts, OTL d.R., Verband der Reservisten der Bundeswehr (VdRBw), Mandat in Kommunalvertretung, ,ehem. Vorsitzender Richter am Landgericht Gera, ehem. Justizministerium, nicht mehr CDU“
Und 2021 rief er in einer Gruppe dazu auf, für ein Projekt seiner Frau bei einem Wettbewerb zu stimmen.
Welche Konsequenzen gab es bisher?
Die Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne) habe laut MDR "die Vorwürfe betreffend des außerdienstlichen Verhaltens mit Irritation und Erschütterung zur Kenntnis genommen". Am 8. Juli wurde Fuchs als Asylrichter abgesetzt und einer anderen Kammer zugeordnet. Von der 4. Kammer, zu der unter anderem Asylrecht und Versammlungsrecht gehören, zur 3. Kammer. Jetzt ist er zuständig für Rundfunk- und Fernsehrecht, einschließlich Gebührenbefreiung, Straßenverkehrsrecht, Justizverwaltungsrecht, Telekommunikationsrecht und auch Flüchtlings- und Vertriebenenrecht.
Außerdem wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Präsident des Verwaltungsgerichts Gera, Michael Obhues, hat auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Mit der "Anregung", den Vorgang "in jeder Hinsicht auf seine strafrechtliche Relevanz hin zu überprüfen", wie LTO berichtet.
LTO weist auch darauf hin, dass viele der Äußerungen zu lange zurückliegen aus einer Zeit, in der er noch nicht Asylrichter war und damit für ein Dienstvergehen nicht mehr infrage kommen. Nach den ersten Medienberichten ist der Nutzer "Fuchs Benedikt" aus den ganzen Facebook-Gruppen ausgetreten.
Das sagt das Justizministerium auf Gerda-Nachfrage:
Vor der Ernennung von Staatsanwälten und Richtern auf Probe wird die persönliche Eignung überprüft. Hierzu gehört auch, dass sie für die grundlegenden Prinzipien der demokratischen Grundordnung eintreten (Verfassungstreue). Dafür ist der Runderlass der Thüringer Landesregierung über die Prüfung der persönlichen Eignung für den öffentlichen Dienst vom 6. Dezember 2016 (Nr. 203000-1, ThürStAnz 52/2016, 1616) heranzuziehen.
Dem TMMJV liegen keine Kenntnisse über politische Zugehörigkeiten von Richtern und Staatsanwälten vor. Diesbezügliche Daten werden nicht erhoben.
Fuchs war übrigens auch während der Corona-Pandemie Fachberater im Krisenstab der Stadt Gera.
Verlautbarung, Denkschrift
Bengt ist die schwedische Variante des Vornamens Benedikt
Ach du Scheiße...