„Königreich Deutschland“ verboten: Auch Razzia in Gera
Bundesinnenminister Dobrindt hat den verfassungsfeindlichen Fantasiestaat „Königreich Deutschland“ verboten. Auch in Gera wurde eine zugehörige Immobilie durchsucht. Die Hintergründe:
Am frühen Morgen des 13. Mai 2025 durchsuchten etwa 800 Einsatzkräfte in sieben Bundesländern verschiedene Immobilien und Objekte. Auch in Gera gab es Durchsuchungen. Die Durchsuchungen richteten sich gegen das sogenannte „Königreich Deutschland“. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat diese Vereinigung nach dem Vereinsrecht verboten. Es handelt sich bei den Objekten um drei Liegenschaften des Vereins in Sachsen, Niedersachsen und Thüringen sowie Wohnungen von führenden Mitgliedern und Unterstützern. In Gera traf es den Vierseitenhof „Käseturm“ im Gemeindeweg in Alt-Bieblach.
Was ist das „Königreich Deutschland“?
Laut Verfassungsschutz handelt es sich bei dem „Königreich Deutschland“ um einen Fantasiestaat mit einer „konstitutionellen Wahlmonarchie“, eigenen Währungen und Einrichtungen des öffentlichen Lebens. „Mit diesem staatsähnlichen Konstrukt versucht das KRD, sich als Gegenentwurf zum System der Bundesrepublik Deutschland darzustellen“, erklärt das Bundesamt für Verfassungsschutz.
2012 krönte sich der in Halle (an der Saale) geborene Koch und Karatelehrer Peter Fitzek zum König von Deutschland und rief das „Königreich Deutschland“ (KRD) ins Leben. Er ist seitdem „Oberster Souverän“. Den Ursprung nahm das KRD in der Lutherstadt-Wittenberg mit einer Immobilie. In den letzten Jahren wurde der Besitz stetig erweitert. Privatpersonen und Unternehmen schlossen sich dem KRD an, zudem wurden immer wieder Immobilien gekauft.
Das KRD sprach dabei eher wenig typische Reichsbürger*innen an, sondern Systemaussteiger*innen, die sich selbst verwalten wollten. Dennoch gibt es bei Fitzek eine Nähe zu Rechtsextremen. Der Verfassungsschutz befürchtete einem Bericht nach, „dass Menschen, die finanzielle Ängste verspüren und nach alternativen Lebensformen und Geldanlagen suchen, für die Versprechungen des KRD empfänglich sein könnten“. Dabei würden sie große finanzielle Schäden riskieren, da „das KRD nach eigenen Angaben keinen Rückzahlungsanspruch und keine Möglichkeit zum Rücktausch der ‚E-Mark‘ einräumt“. Die „E-Mark“ war die Online-Währung des KRD.
Bis zu seinem Verbot war das KRD die größte Vereinigung der sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene. Nach eigenen Angaben gehörten dem KRD bis zu 6.000 Menschen an. Es sollen jedoch in Wirklichkeit nur etwa 1.000 sein. „Heute wurde ein bedeutender Schlag gegen die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter durchgeführt“, lobte Innenminister Dobrindt und nannte das KRD: „Gefährliche Extremisten“.
Warum wurde das KRD verboten?
„Zweck und Tätigkeit des Vereins laufen den Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung“, erklärt das Bundesministerium für Inneres (BMI) die Hintergründe. Das BMI sieht hier einen „Gegenstaat“ unter monarchisch-absolutistischer Führung, der das Gewaltmonopol der Bundesrepublik infrage stellt und durch den Ankauf der Liegenschaften das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland kontinuierlich schmälern wollte. Seit Jahren führte das KRD unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte durch Teilorganisationen „Königliche Reichsbank“, „Deutsche Heilfürsorge“.
Genannt wird auch, dass Fitzek und das KRD antisemitisch konnotierte verschwörungstheoretische Ansichten verbreiten. So behauptete Fitzek, dass der Ukraine-Krieg eine Inszenierung einer jüdischen Gruppe ist. Das BMI nannte zudem dem Verein zurechenbare Volksverhetzungen, Verunglimpfungen des Staates sowie Urkundenfälschungen durch Ausgabe eigener Legitimationsdokumente.
„Damit verwirklicht das ‚Königreich Deutschland‘ sämtliche Verbotsgründe im Sinne des Artikels 9 Absatz 2 Grundgesetz i. V.m. § 3 Absatz 1 Satz 1 Variante 1 bis 3 Vereinsgesetz. Ziele und Aktivitäten des Vereins sind gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet und laufen Strafgesetzen zuwider.“
Auch zahlreiche Teilorganisationen des Vereins sind verboten worden sowie diverse dem KRD zugehörige Online-Plattformen gesperrt worden. „Zudem wird deren Vermögen beschlagnahmt, um sicherzustellen, dass keine weiteren finanziellen Mittel für extremistische Zwecke genutzt werden können.“
Bei den Durchsuchungen wurde auch der 59-jährige Anführer Fitzek verhaftet. Gegen ihn gab es einen offenen Haftbefehl, weil er 2022 in einem Landratsamt eine Security-Mitarbeiterin attackiert und zwei Bundeswehrsoldaten als „Faschistenschweine“ beschimpft hatte und dafür kürzlich rechtskräftig zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Zu den Maßnahmen des BMI in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz kam außerdem ein vom Generalbundesanwalt geleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit dem Betrieb unerlaubter Bank- und Versicherungsgeschäfte. In dem Zuge wurden neben Fitzek auch Mathias B., Benjamin M. und Martin S. verhaftet.
„Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, sich als Rädelsführer in einer kriminellen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt zu haben (§ 129 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 StGB). In diesem Zusammenhang werden Peter F. auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 KWG; § 331 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 VAG) vorgeworfen, wobei Mathias B. ihn bei den Einlagengeschäften als Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) unterstützt haben soll.“
M. und S. sollen neben Fitzek zu den Gründungsmitgliedern gehören und als dessen Stellvertreter die oberste Leitungsebene gebildet haben, während B. für die Finanzen zuständig war.
Es sind nicht die ersten behördlichen Maßnahmen gegen das KRD. Die letzte größere Aktion fand 2023 statt. Da gab es mehrere Durchsuchungen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) wegen »unerlaubt betriebener Finanzgeschäfte«.







Wie hängt der Käseturm mit dem KRD zusammen?
Über den Mittelsmann Carsten v. kam das KRD 2023 an den „Käseturm“ in Alt-Bieblach. Der Kauf wird im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2023 erwähnt. Außerdem ist in einer ARTE-Doku zu sehen, wie sich Peter Fitzek und Carsten v. das Haus anschauen. Fitzek nennt die Immobilie „neues Staatsgebiet des Königreichs Deutschland in Gera“. 2024 war Fitzek erneut in Gera. Er und Carsten v. besuchten das große Reichsbürger-Bundestreffen auf dem Hofwiesenparkplatz. Nach Gerda-Informationen soll Fitzek ab diesem Zeitpunkt in Gera behördlich gemeldet gewesen sein. Er trat jedoch nicht weiter in der Stadt in Erscheinung. Festgenommen wurde Fitzek im sächsischen Halsbrücke.
Es ist nicht das erste KRD-Objekt in Gera. Auf dem Kornmarkt gab es bis 2022 die Kaffeerösterei „Mahlwerk Gera“. Auch hier gab es Verstrickungen zum KRD. Nach Zolldurchsuchungen wurde der Betrieb eingestellt. Heute ist in dem Laden eine demokratisch korrekte Kaffeerösterei drin.
Carsten v. ist in der Szene kein Unbekannter. Als 2016 der Reichsbürger Adrian Ursache festgenommen wird (inklusive Schusswechsel) ist er vor Ort. Auch zu Heinrich XIII. Prinz Reuß hatte er Kontakt. In einem Zeitungsartikel von 2018 gibt er an, sich den Namen „Miteinanderstadt Gera“ ausgedacht zu haben. Zu Beginn war es der Name eines unternehmerischen Projektes zusammen mit dem Unternehmer und WerteUnion-Landtagskandidaten Peter Schmidt und anderen Personen. Über Schmidt kam der Name zu den Montagsdemos. Diese werden mittlerweile von einer Gruppe rund um Neonazi Christian Klar unter dem Namen „Miteinanderstadt Gera“ angeführt.
Carsten v. wollte Anfang Mai 2025 im Käseturm das „Miteinander-Kompetenz-ZenTurm“ (als Miteinanderstadt Gera e. V.) samt Demenz-WG und Cannabis Social Club eröffnen. Unterstützung bekam er dabei von dem österreichischen Medienaktivisten Helge S., der mit seiner Mutter im Käseturm einzog und auch während der Durchsuchung Fotos und Videos veröffentlichte. Die Immobilie wurde zwar durchsucht, aber nicht beschlagnahmt. Es wurden lediglich Beweismittel, die im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot stehen, abtransportiert. Dabei waren das Landesverwaltungsamt sowie Kräfte der Thüringer Bereitschaftspolizei und des TLKA im Einsatz. Wie es mit dem Käseturm und den dort angesiedelten Projekten weitergeht, bleibt zu beobachten.
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Ich denke, daß die tatsächliche politische Gefahr durch das "Königreich Deutschland" maßlos und künstlich überdramatisiert wird. Dadurch gerät das eigentliche Problem um das "KRD" etwas ins Hinterlicht: Nämlich die fragwürdigen Finanzgeschäfte um die königliche Bank, Versicherung, Krankenkasse. Es ist doch offensichtlich für jeden vernünftigen Menschen, das hier arglose Opfer gesucht wurden, denen unter wilden Versprechungen das Geld abgeknöpft wurde, welches dann vom 'König' und seinen engsten Komplizen irgendwohin transferiert versickerte. Das ist der eigentliche Skandal um dieses "Königreich"! Die versprochenen Gegenleistungen können doch wie beim typischen Schneeballsystem nie erbracht werden. Und wer klagen würde, soll sich an das königliche "Recht" binden = er fliegt aus dem Verein und sieht sein Geld nie wieder. Es wäre wünschenswert, wenn zumindest die echten Opfer des Vereins ihr Geld zurück bekämen. Ich vermute allerdings, das dies irgendwo auf einer Karibikinsel zwischengebunkert wurde und von dort nach sonst wohin weitergebucht wurde, sprich unauffindbar bleibt.