Tag 3 im ISPK-Prozess: Details zu den Smartphone-Inhalten der Angeklagten
Am dritten Verhandlungstag im Falle eines mutmaßlich geplanten islamistischen Terroranschlags gaben drei Zeug*innen Einblicke in die Auswertung der Smartphones der beiden Angeklagten.
Darum geht es: Den beiden Angeklagten Ibrahim M. G. und Ramin N., zwei in Gera ansässige Afghanen, wird vorgeworfen, einen Terroranschlag in Stockholm geplant zu haben, um für den Islamischen Staat die Koranverbrennungen zu rächen. Zuvor sollen sie auch an die Witwen und Waisenkinder von IS-Männern gespendet haben und überlegten zudem, sich in Nigeria der islamistischen Miliz anzuschließen.
Der dritte Termin im Prozess fand wenig öffentliches Interesse. Gerda war als einziges Medium vor Ort im Saal. Die Aussage der beiden Beamten von der Bundespolizei wurde erneut übersprungen. Beide sollten Angaben zur Kontrolle der Afghanen nach deren missglücktem Waffenkauf in der Tschechischen Republik machen, aber die umfangreiche Aussage des Angeklagten G. ließ dafür keine Zeit. Für diesen Montag war die Befragung dreier BKA-Beamt*innen angedacht, die die Smartphones der beiden Angeklagten ausgewertet haben. Die befragten Zeug*innen waren ein Kriminalhauptkommissar, eine Kriminalkommissarin und eine Kriminalhauptkommissarin vom Bundeskriminalamt in Berlin. Sie berichteten von Details der Auswertung und beantworteten die Fragen der Richter*innen, der Vertreter des Generalbundesanwalts (GBA) und der Strafverteidiger.
Nachdem die beiden Afghanen in der Tschechischen Republik auf einem Schwarzmarkt vergeblich nach Schusswaffen gesucht haben, sind sie auf der Rückfahrt zehn Minuten nach der Grenzüberfahrt in Bayern von der Bundespolizei kontrolliert worden. Im Handschuhfach wurde ein Schlagring gefunden und daraufhin hat man ein Verfahren wegen unerlaubten Waffenbesitz eingeleitet. Laut des Kriminalhauptkommissars (KHK) soll außerdem einer der beiden nicht die passenden Dokumente dabei gehabt haben. G. und N. wurden erkennungsdienstlich behandelt und ihre beiden Smartphones beschlagnahmt. Bei N. war zu dem Zeitpunkt keine SIM-Karte eingelegt.
700 Chats
Die Smartphones sind anschließend beim Bundesamt für Verfassungsschutz gelandet. Die haben die Daten gespiegelt und auf einem Datenträger dem Bundeskriminalamt (BKA) zur Verfügung gestellt. Dort wurden die Daten mit einer BKA-eigenen Software ausgewertet. Chats wurden in Exceltabellen aufgegliedert.
Insgesamt gab es circa 700 Einzelchats, davon viele aus privatem Kontext, mit familiären und bekannten Kontakten. Die relevanten Chats stammen aus dem Zeitraum von Ende Mai 2023 bis zum 9. September 2023. Die beiden Afghanen bekamen ihre Smartphones am 9. März 2024 zurück und wurden 19. März 2024 verhaftet. Dabei wurden ihre Smartphones erneut beschlagnahmt und ausgewertet.
Der Vorsitzende Richter wollte wissen, ob man die Smartphones den beiden eindeutig zuordnen könne. Der KHK bejahte und erklärte, dass das unter anderem durch Selfies eindeutig sei. Eines der Selfies wurde auch in der Verhandlung gezeigt. Es zeigt G. mit sehr langem Bart. Er blickt in die Kamera und macht den Tauhid-Finger.
Bilder von Überweisungsbelegen und IS-Propaganda
Auf dem Gerät von G. fand man rund 90.000 Bilddateien sowie 890 Videos und bei N. an die 60.000 Bilddateien. Das sind alle Bilddateien, die die Software irgendwo auf dem Handy gefunden hat.
In der Verhandlung wurden mehrere Bilder gezeigt, die G. als Belege der Überweisungen, die von Kontaktperson Akhi erbeten wurden und an Witwen und Waisenkinder im Flüchtlingslager Al Hol gehen sollten, geschickt hat. Auf einem gezeigten Bild konnte man auch das markante rötliche Pflaster des Bordsteins in der Leipziger Straße (& Sorge) in Gera erkennen. In dieser Straße hatte G. die Überweisungen getätigt, wie an Prozesstag zwei berichtet wurde.
Des Weiteren fand sich IS-Propagandamaterial, welches das BKA islamwissenschaftlich bewerten ließ. Darunter Bilder von IS-Kämpfern in Nigeria. Ebenso Propagandavideos, sogenannte Naschids1. Bei N. fand man auch eine Ausgabe eines IS-Magazins als PDF sowie einzelne Ausschnitte davon.
Dutzende Waffenbilder
„In erster Linie ist mir aufgefallen, dass viele Bilder von Waffen, Waffenteilen, Maschinenpistolen zu finden waren“, erklärt die Kriminalkommissarin, die das Handy von G. ausgewertet hat. Bei beiden wurden Fotos und Videos von Waffen gefunden. Bei N. waren auch Bilder von Schlagringen dabei. Die meisten Bilddateien stammen aus dem Sommer 2023, einige können aber bis 2020 zurückdatiert werden. Bei G. wurden rund 20 Videos mit Waffen gefunden, laut Kriminalkommissarin ging es darin vornehmlich um die Präsentation der Waffen.
An eine Kontaktperson schrieb G., dass ein Freund von ihm die Waffe besorgen will. Es war in der Verhandlung unklar, wie viele Waffen man kaufen wollte. In den Chats ging es aber auch darum, sich vor Ort die Waffe eines erschossenen Polizisten anzueignen. Talha wies G. auch an, sich den Bart zu stutzen, um beim Waffenkauf bessere Chancen zu haben.
Die Kommunikation zwischen G. und N.
Hier gab es immer wieder Lücken, da beide auch außerhalb der Chats miteinander Kontakt hatten. Dennoch wurden rund 236.000 Nachrichten zwischen beiden festgestellt. G. hatte N. Fotos von den Spendenauszügen geschickt sowie Screenshots aus dem Chat mit der Kontaktperson Akhi. N. wiederum hat Links zu Berichten von Koranverbrennungen in „Leitmedien“ gesendet.
Die Kriminalhauptkommissarin, die Ns. Daten auswertete, berichtete, dass er neben alltäglichen Apps, Messengern und Apps zur religiösen Lebensgestaltung auch VPN-Dienste und eine Cleaner-App. Bei ihm fanden sich keine Telegram-Nutzungsdaten.
In den Internetaktivitäten der beiden fanden sich Spuren der Recherche zu Stockholm und der Tschechei. Für letztere schauten sie nicht nur nach einem Hotelzimmer und lokalen Waffengesetzgebungen, sondern auch nach Sehenswürdigkeiten.
Die Chats mit den Kontaktpersonen
Die Ermittler*innen konnten die betreffenden Personen nicht alle eindeutig identifizieren. Lediglich Talha, der letzte Kontakt vor dem versuchten Waffenkauf, ist polizeibekannt. Er soll schon 2018 mit der Rekrutierung für den IS-PK aufgefallen sein, aber es gibt keine gesicherten Informationen zu seinem Standort. „Für mich begann der Chat ziemlich zusammenhangslos“, bemerkte der KHK. Es fehlte die Gesprächseinleitung und begann mit einer Frage, ob eine bestimmte Waffe geeignet ist.
„Ich fand es ziemlich exemplarisch“, beschreibt der KHK, der schon in andere Ermittlungen mit IS-Bezug involviert war, die Kontakte-Kette. Es sei gängige Praxis, dass es statt eines einzigen Ansprechpartners mehrere Kontaktpersonen gibt, deren Kontaktverhältnis über Spenden Fahrt aufnimmt.
Aus den Chats geht hervor, dass G. und ein Freund vorhatten, nach Nigeria zu gehen. Auch schrieb eine der Kontaktpersonen, dass er bei G. „eine große Entschlossenheit“ erkennen könne.
Treueeid
Kontaktperson Akhi hat G. am 3. August einen Treueeid vom neuen IS-Kalifen geschickt, woraufhin G. schlussfolgert, dass der bisherige Kalif gestorben ist2, wünscht ihm Märtyrertod und erneuert seinen Eid. „Er hat den noch bei Facebook eingestellt“, berichtet der KHK. Außerdem hat G. den Treueeid auch N. zugeschickt.
Der nächste Termin ist Donnerstag (12.12.). Es wird die Zeugenaussage eines JVA-Insassen zu Äußerungen von G.3 gegenüber Mithäftlingen erwartet.
Naschids sind melodisch rezitierte religiöse arabische Poesie, die im islamistischen Kontext zur Verbreitung von IS-Propaganda verwendet werden.
Korrektur 12.12.24/14:18; es handelt sich um einen Mithäftling von G.